Nicht nur die bekannten US-Geheimdienste NSA und CIA sehen Deutschland als Operationsgebiet und Stützpunkt für ihre Horchposten. Auch Dutzende Mitarbeiter weiterer US-Sicherheitsbehörden sind hier mit weitreichenden Befugnissen oft in einem rechtlichen Graubereich tätig, berichtete die Süddeutsche Zeitung (SZ) am Montag. Laut dem Bericht sind mehr als 50 Mitarbeiter des für den Schutz des US-Präsidenten, aber auch für die Verfolgung von Internetkriminalität zuständigen Geheimdienstes Secret Service, des Heimatschutzministeriums sowie der US-Einwanderungs- und Transportbehörden dauerhaft in der Bundesrepublik stationiert. »Sie genießen diplomatische Immunität und haben Befugnisse, die denen deutscher Polizisten und Zöllner nahekommen. Sie entscheiden, wer ins Flugzeug steigen darf, welcher Container auf welches Schiff geladen wird – und im Zweifel nehmen sie offenbar sogar Menschen fest«, heißt es in der SZ.
So sind an Überseehäfen wie in Hamburg US-Beamte stationiert, die die deutschen Zöllner aufgrund von Geheimdienstinformationen auf verdächtige Container hinweisen. Bei Flügen in die USA stehen US-Beamte an den Abfluggates deutscher Flughäfen und entscheiden anhand von Flugverbots- und Terrorismuswarnlisten, wer die Reise antreten darf und wer nicht. Rund eine Million Namen umfassen die verschiedenen US-Listen unerwünschter und für gefährlich eingestufter Personen mittlerweile. Den Fluggesellschaften sind die Erfassungskriterien nicht bekannt. Darüber, wie viele Fluggäste wegen dieser Listen bereits am Einsteigen in die Flugzeuge gehindert wurden, wird keine Statistik geführt. Doch aus Angst vor Sanktionen durch die USA halten sich die Fluggesellschaften an die für sie rechtlich nicht bindenden Empfehlungen der US-Beamte.
Selbst vor Amtsanmaßung schrecken die US-Agenten nicht zurück. »You are under arrest« – »Sie sind festgenommen«, erklärten laut Augenzeugenberichten zwei in dunkle Anzügen gekleidete Agenten des Secret Service, als sie am 3. März 2008 auf dem Frankfurtfer Flughafen den aus Tallinn kommenden estnischen Staatsbürger Aleksandr S. am Gate bei einem Urlaubsflug nach Bali stoppten. Anschließend nahm die zugezogene Bundespolizei den in den USA wegen Kreditkartenbetruges gesuchten Hacker mit dem Pseudonym »Jonny Hell« regulär fest, obwohl zu diesem Zeitpunkt gegen S. in Deutschland nichts vorlag und der US-Haftbefehl erst einige Tage später nachgeliefert wurde. »Ein Aufgriff durch Mitarbeiter von ausländischen Stellen fand nicht statt«, leugnete das Bundesinnenministerium auf Pressenachfragen anschließend die Beteiligung des Secret Service an S.’ Festnahme. Obwohl diese rechtsstaatlich zweifelhaft war, wurde S. an die USA ausgeliefert und dort 2012 zu sieben Jahren Haft verurteilt. Identifizieren können die US-Behörden Gesuchte wie S. oder unerwünschte Reisende durch den direkten Zugriff auf die Buchungssysteme der Fluggesellschaften. Bis zum Jahr 2007 gaben Airlines aus den EU-Staaten, offiziell zur Terrorabwehr, 34 Detailinformationen pro Passagier an die US-Behörden weiter, die diese Daten dreieinhalb Jahre speichern durften. Der Europäische Gerichtshof sah diese Datenweitergabe – sie erfolgte aufgrund eines 2004 zwischen der EU-Kommission und den USA geschlossenen Abkommens – im Widerspruch zum EU-Recht. 2007 wurde daher ein neues Abkommen ausgehandelt, das die Zahl der übermittelten Datensätze auf 19 verringerte, aber die Speicherfrist auf 15 Jahre ausdehnte. Zu den Informationen, die an das US-Heimatschutzministerium weitergegeben und dort auch für Rasterfahndungen und die Erstellung von personenbezogenen Dossiers genutzt werden, gehören Name, Adresse, Kreditkartennummer, E-Mail-Adressen, aber auch die Anzahl der aufgegebenen Gepäckstücke, die Sitzplatznummer und Menüwünsche sowie am Zielort gebuchte Hotels und Mietwagen. Das EU-Parlament stimmte diesem »transatlantischen Abkommen zum Transfer von Flugpassagierdaten« im März 2012 zu. Linke, Grüne und Liberale lehnten es aus datenschutzrechtlichen Gründen ab.