Antwort Kleine Anfrage (18/127): Ergänzende Informationen zur Asylstatistik für das 3. Quartal 2013

Gesamtschutzquote
Die bereinigte Gesamtschutzquote (alle Anerkennungen von Asyl, Flüchtlingsschutz, subsidiärem und humanitärem Schutz bezogen auf die Asylanträge ohne Dublin-Verfahren) ist im 3. Quartal von 42,2 auf 36,1 gesunken (Frage 1), was im wesentlichen mit der steigenden Zahl an negativen Entscheidungen bzgl. der Asylsuchenden aus der Russischen Föderation (Tschetschenien) und den Westbalkanstaaten (Serbien, Mazedonien) zu tun haben dürfte; in Bezug auf die Nicht-Westbalkan-Staaten ist die Gesamtschutzquote im dritten Quartal sogar leicht angestiegen (Frage 16): von 50,4 % im 2. Quartal auf 53,8 % im dritten

Widerrufsverfahren
Die Widerrufsquote ist von 5,4% auf 6,2% leicht gestiegen; im wesentlichen sind Staatsangehörige der Türkei und Sri Lankas von Widerrufen betroffen (35,9 bzw. 32,3 %) (Frage 3). Diese sind allerdings auch häufig in gerichtlichen Klageverfahren gegen einen Widerruf erfolgreich (Türkei: 41,4 %, Sri Lanka: 41,7%). Auch afghanische und iranische Staatsangehörige sind mit Klagen erfolgreich (36,7 bzw. 46,2%), allerdings auch deutlich seltener überhaupt von Widerrufen betroffen.

Verfahrensdauer
Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Asylanträgen konnte im Vergleich zum Vorquartal signifikant gesenkt werden, von 9 Monaten auf 6,6 Monate (ohne Westbalkanstaaten: 10,6 auf 8,5 Monate). Neben den priorisierten Herkunftsländern Westbalkanstaaten, Russische Föderation und Syrien konnten auch bei Afghanistan und Somalia die Bearbeitungszeiten gesenkt werden, bleiben mit 14,1 (Afghanistan) bzw. 17,8 (Somalia) Monaten aber weiter extrem hoch (Frage 4 bzw.16). Die Priorisierung geht weiterhin vor allem zulasten von unbegleiteten Minderjährigen, deren durchschnittliche Bearbeitungsdauer um einen halben Monat auf 11,6 Monate gestiegen ist, und bei denen insbesondere die Werte für Afghanistan (um 1,7 auf 13,9 Monate) und Somalia (um 1,1 Monate auf 11,8) gestiegen sind! Hier geht die Priorisierung ganz klar in die falsche Richtung, weil sie nur auf möglichst frühzeitige Aufenthaltsbeendigung „aussichtsloser“ Fälle zielt.

Dublin-Verfahren
Die Zahl der Rückübernahmeersuchen an andere Dublin-Staaten ist vom 2. zum 3. Quartal noch einmal um über 1900 gestiegen (von 5785 auf 7692), nachdem sie vom 1. zum 2. Quartal schon um gut 1800 gestiegen war; absoluter Spitzenreiter ist Polen, auf das allein 4575 Übernahmeersuchen (+1380) entfielen; bei den Herkunftsländern steht die Russ. Föderation mit 4928 (+1448) ganz klar an der Spitze. Die gestiegene Zahl der Übernahmeersuchen ist also im wesentlichen auf die Gruppe der Asylsuchenden aus der Russischen Föderation zurückzuführen. Tatsächlich überstellt wurden im 2. Quartal 1264 Asylsuchende (Russ. Föderation: 550; nach Polen: 545) und im 3. Quartal 1462 (Russ. Föderation: 974; nach Polen: 907). Die starke Abweichung der Zahlen der Übernahmeersuchen und der Überstellungen dürfte zum geringeren Teil mit Ablehnungen durch den Aufnahmestaaat und erfolgreiche Klagen gegen die Überstellung, zum größeren Teil aber damit zu erklären sein, dass die betroffenen Personen lieber abtauchen, als sich in ein aussichtloses Asylverfahren unter schlechten Lebensbedingungen zu begeben. Das Dublin-System produziert so eine große Zahl an „Illegalen“, und sichert gerade nicht, dass jede/r Asylsuchende Zugang zu einem fairen Asylverfahren hat. Zudem werden sowohl im BAMF als auch bei den für den Vollzug der Ausreiseanordnung zuständigen Ausländerbehörden dadurch Personalressourcen gebunden, die sinnvoller in der Antragsbearbeitung eingesetzt werden könnten.

Asylsuchende aus Griechenland
Die Zahl der Asylsuchenden, die über Griechenland nach Deutschland gereist sind, ist mit 1.022 stabil geblieben (2. Quartal: 1010; 1. Quartal: 1226). Der durch eine Aussetzung der Rücküberstellungen beschworene „Pull-Effekt“ ist also nicht zu beobachten. Allerdings schaffen auch immer weniger Schutzsuchende aufgrund der Abschottungsmaßnahmen und illegalen push-backs durch den griechischen Grenzschutz überhaupt die Einreise nach Griechenland.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
Unbegleitete Minderjährige haben im 3. Quartal in 553 Fällen einen Antrag auf Asyl gestellt, eine Steigerung von 111 im Vergleich zum 2. Quartal. Die Zahl der Entscheidungen ist hingegen um 108 auf 249 gesunken; die Anerkennungsquote betrug 58% (2. Quartal: 55%). Hauptherkunftsländer bleiben Afghanistan und Syrien, die jeweils fast die Hälfte der asylsuchenden Minderjährigen ausmachen. Die gesunkene Zahl von Entscheidungen geht mit längeren Verfahrensdauern für die betroffenen Kinder einher (s.o.).

Flughafenverfahren
Die Zahl der Flughafenverfahren bleibt mit 250 (2. Quartal: 241; 1. Quartal: 321) recht konstant und im Vergleich zur Gesamtzahl an Asylerstanträgen (30880) marginal. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass sich mittlerweile viele Asylsuchende, die auf dem Luftweg einreisen, aufgrund der Kontrollen an den Abflugflughäfen (durch Behörden und Beförderungsunternehmen) verstärkt gefälschte Einreisepapiere besorgen und sich erst nach der Einreise als Asylsuchende zu erkennen geben. Das Flughafenverfahren verhindert also nicht die „illegale“ Einreise über den Luftweg, sorgt aber für eine stärkere Kriminalisierung und extreme Erhöhung der Schleusungskosten.

Gerichtsverfahren
Weiterhin müssen einige Asylsuchende ihren Schutz erst vor Gerichten einklagen: Asylsuchende aus Afghanistan hatten in den Monaten Januar-August damit in 41,3 % (entspricht 1011 Gerichtsentscheidungen!) der Fälle Erfolg, Syrer in 32,9 %, Iraner in 39,2 % und Pakistanis in 37,2 %. Diese Quoten sind ungefähr gleichbleibend (eine Steigerung bei den Syrern) und zeigt, dass die relativ langen Verfahren bei den meisten dieser Gruppen nicht unbedingt mit einer wirklich umfassenden Prüfung einhergehen.

Personalentwicklung BAMF
Die Frage zum Personalaufwuchs beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurde leider so beantwortet, dass nur eingeschränkt ein Vergleich mit den Angaben aus der vorhergehenden Quartals-Anfrage möglich ist. In der vorherigen Quartalsanfrage hieß es noch, es seien bis Mai 43 Mitarbeiter für den gehobenen Dienst gewonnen worden, nun ist die Rede von 78 Einstellungszusagen „überwiegend im Asylbereich“ (100 sollen es bis Ende des Jahres werden). D.h., von denen entscheiden sich vielleicht ein paar noch dagegen, wann die anderen dann anfangen und wann sie eingearbeitet sind, ist noch eine andere Frage. Weiterhin werden Mitarbeiter aus anderen Bereichen des BAMF in den Entscheiderbereichen der Außenstellen eingesetzt; mutmaßlich „alte Hasen“, die mittlerweile in anderen Bereichen untergekommen sind und nun noch einmal als Entscheider arbeiten. Wie weit die Personalgewinnung aus dem Überhang der Bundeswehrverwaltung (140 zugesagte Stellen) mittlerweile gediehen ist, wurde diesmal nicht angegeben.

Asylsuchende aus der Russischen Föderation (Tschetschenien/Nordkaukasus)
Bezüglich der Asylanträge von russischen Staatsangehörigen ist ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Nach 2538 Erst- und Folgeanträgen im April lag die Zahl im September bei nur noch 825. Durch die prioritäre Bearbeitung wurde die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von 10 Monate auf 5,4 Monate gesenkt. Die Schlussfolgerung der Bundesregierung, dass der Rückgang der Zahlen mit dieser verkürzten Verfahrensdauer zu tun hat, ist allerdings ziemlich fragwürdig: die Zahlen waren schon rückläufig, als die Beschleunigungsmaßnahmen anliefen. Was auch immer zu dem heftigen Anstieg der Asylbewerberzahlen aus der Russischen Föderation bzw. Tschetschenien geführt hat – der Effekt ist mittlerweile verpufft. Dass die Verhältnisse im polnischen Aufnahmesystem, die rigide Durchsetzung des Dublin-Prinzips durch die Bundesrepublik und die Aussicht auf eine Abschiebung zurück in die Russische Föderation oder gar nach Tschetschenien von einer Flucht abschrecken, ist dagegen nicht so abwegig. Aber auch nicht eben ein Ruhmesblatt deutscher und europäischer Asylpolitik!

1800127_Asylstatistik_III_2013.pdf