Das berichtete am Mittwoch die Neue Osnabrücker Zeitung. Amtliche Ergebnisse sollen aber frühestens in einem halben Jahr vorliegen.
Einen Streit um die Zuverlässigkeit der amtlichen Statistiken hat es immer schon gegeben. Die Bundesregierung geht bis heute davon aus, daß seit 1990 rund 60 Menschen Opfer von faschistischen Mordanschlägen geworden sind. Diese Zahl wird von Opferberatungen, aber auch von bürgerlichen Medien wie dem Tagesspiegel oder der Zeit bestritten. Diese kommen vielmehr auf mindestens 152 Tote. Gerichte und Staatsanwaltschaften hingegen neigen immer wieder dazu, Straftaten selbst dann als unpolitisch einzuschätzen, wenn sie von bekannten Neonazis an ihren typischen Feindbildern begangen werden – an Obdachlosen, Menschen mit anderer Hautfarbe, Homosexuellen oder Linken. Ein Beispiel unter vielen: Am 1. August 2008 wurde ein Obdachloser im sachsen-anhaltischen Dessau von zwei alkoholisierten Rechtsextremisten mit einem Müllcontainer erschlagen. Auf ihren Handys hatten die Täter Hakenkreuze und die Parole »Juden sind unser Unglück«. Laut einem Zeugen hat einer der beiden das Opfer einen »Unterbemittelten« genannt, der es »nicht anders verdient« habe. Trotzdem fehlt diese Tat in der offiziellen Statistik rechter Gewalt.
Anstoß für die Neuuntersuchung war das Auffliegen der NSU-Mordserie vor rund zwei Jahren. Damals kam heraus, daß die Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« über mehrere Jahre hinweg mindestens neun Menschen ermordet hatte. Die Sicherheitsbehörden gerieten unter Druck, weil sie sich als entweder unfähig oder gar unwillig erwiesen hatten, rechtsextreme Hintergründe bei schweren Gewaltdelikten zu erkennen. Um den Vorwurf abzuschütteln, hatte die Bundesregierung damals angekündigt, die strittigen Fälle noch einmal zu überprüfen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte gesagt, man werde »den einen oder anderen Fall neu bewerten müssen«.
3300 Tötungen sowie Tötungsversuche im Zeitraum von 1990 bis 2011 wurden in die Überprüfung einbezogen, bestätigte ein Sprecher des Innenministeriums. Zur Auswahl der Fälle habe das BKA einen »Indikatorenkatalog« entwickelt, über dessen Details bis gestern noch keine Angaben vorlagen. Jedenfalls hätten sich bei 746 Taten Anhaltspunkte ergeben, daß ihnen – anders als bislang eingeschätzt – doch eine rechtsextreme Motivation zugrunde liegt. Die Gesamtzahl der Opfer in diesen Fällen wurde mit 849 angegeben. Die Fälle werden derzeit im BKA aufbereitet, um sie zur eingehenderen Untersuchung zurück an die Bundesländer zu schicken – von denen allerdings auch die ursprünglichen Einschätzungen stammen. Die endgültige Überprüfung sei voraussichtlich im zweiten Quartal 2014 abgeschlossen. Danach solle außerdem geprüft werden, ob auch weitere unaufgeklärte Verbrechen wie Sprengstoffanschläge und Banküberfälle auf eine Täterschaft von Neonazis untersucht werden.