Doch anstelle einer angesichts der tiefen Verstrickung des Verfassungsschutzes in das braune Netzwerk eigentlich logischen Auflösung des Geheimdienstes zielt die Verfassungsschutzreform auf eine Stärkung des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegenüber den Landesgeheimdiensten. Zudem soll die gegen das grundgesetzliche Trennungsverbot verstoßende Zusammenarbeit und der Datenaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz verbessert werden.
Nachdem die Länder am Dienstag beim Bundesverfassungsgericht das Verbot der faschistischen NPD beantragt haben, wollen die Innenminister nun beraten, ab wann die V-Leute des Verfassungsschutzes in der faschistischen Partei wieder reaktiviert werden. Die Agenten waren abgeschaltet worden, um das Verfahren nicht zu gefährden. »Ich bin dafür, es bei dem Ist-Zustand zu belassen, bis eine Entscheidung aus Karlsruhe vorliegt«, sprach sich Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) dafür aus, auf die Spitzel während der gesamten Verfahrensdauer zu verzichten.
Ein härteres Vorgehen gegen gewalttätige Fußballfans steht ebenfalls auf der Tagesordnung. Nicht nur auf Hooligans, sondern auch auf »Schwarze Blocks« anwendbar wäre der vom IMK-Vorsitzenden und niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD) im Interview mit der Rheinischen Post geäußerte Vorschlag zur Wiedereinführung des Straftatbestandes »Tumult«. Damit könnte jeder, der sich in einem »gewalttätigen Mob« bewegt, bestraft werden, auch wenn ihm keine Gewalttaten nachzuweisen sind. Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) will sich für Verbrecherjagd auf Facebook stark machen. Kritiker wie die Hamburger Grünen-Fraktion sehen bei dieser bereits vom Bundeskriminalamt und drei Landesregierungen genutzten Fahndungsmethode die Gefahr, daß »Verdächtige an den öffentlichen Pranger« gestellt werden, »was zu einer unkontrollierten Hetzjagd im Netz führen kann«.
Zeitgleich mit der deutschen Innenministerkonferenz tagt in Brüssel der Rat der Justiz- und Innenminister der Europäischen Union. Erörtert werden soll ein Bericht der »Task Force Mittelmeer«, die als Reaktion auf den Tod von mehreren hundert afrikanischen Flüchtlingen am 11. Oktober vor der italienischen Insel Lampedusa eingerichtet wurde. Deren Gegenstand ist allerdings nicht die überfällige Neuausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik durch eine gerechte Verteilung der Flüchtlingsaufnahme, sondern die weitere Verlagerung von Maßnahmen zur Eindämmung von Flüchtlingsbewegungen in die Flucht- und Transitländer. So fordert Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), daß die nordafrikanischen Staaten mit europäischer Unterstützung effektiver gegen Schlepperbanden vorgehen sollten.
Weiteres zentrales Thema wird die ab 2014 geltende Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren im Schengen-Raum sein. Als Scharfmacher trat der konservative britische Premierminister David Cameron auf: In einem Gastbeitrag für die Financial Times forderte er, »die Freizügigkeit innerhalb der EU muß weniger frei sein«. Wenn EU-Ausländer nicht arbeiten, sondern »betteln oder im Freien schlafen, dann werden sie entfernt«, heißt es in der Kolumne, die explizit Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien angreift. Unterstützung bekommt Cameron von Bundesinnenminister Friedrich, der vor einer massiven »Armutseinwanderung« aus diesen Ländern und dem Mißbrauch der Freizügigkeit für Sozialhilfebetrug warnt. Die Kommission sei aufgerufen, auf die »berechtigten Sorgen und Probleme der Mitgliedsstaaten zu reagieren«, heißt es aus dem Bundesinnenministerium. Es gehe um Maßnahmen wie »befristete Wiedereinreisesperren« gegen den »Mißbrauch des Freizügigkeitsrechts auf der Grundlage des europäischen Rechts«. EU-Justizkommissarin Viviane Reding warf Friedrich bereits »Bierzeltparolen« vor. »Kein einziger Mitgliedsstaat konnte bislang Beweise vorlegen, daß es Sozialtourismus gibt«, heißt es aus dem Büro von EU-Sozialkommissar Laszlo Andor.