Deutsche Sicherheitsbehörden warnen vor einer zunehmenden Gewaltbereitschaft türkischer Faschisten, der sogenannten Grauen Wölfe. Das ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion sowie Recherchen von Spiegel online.
Die Grauen Wölfe, die sich selber auch als »Ülkücüler« (Idealisten) bezeichnen, streben ein neues osmanisches Reich und die Vereinigung aller Turkvölker – vom Balkan bis zur chinesischen Mauer – an. In der Türkei ermordeten ihre bewaffneten Banden in den 70er Jahren Tausende Linke und Aleviten. In den 90er rekrutierten sich aus ihrer Mitte Todesschwadronen, die in den kurdischen Landesteilen eingesetzt wurden. Auch in den letzten Jahren kam es in der Türkei zu pogromähnlichen Ausschreitungen von »Grauen Wölfen« gegen Linke, Kurden und Roma.
Neben den in der Bundesrepublik in der »Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland« bzw. »Türkische Föderation« oder kurz ADÜTDV organisierten »Wölfen« – einem Ableger der rechten Partei MHP in der Türkei – sieht die Bundesregierung eine seit den letzten Jahren wachsende nichtorganisierte »Ülkücü«-Jugendbewegung. In sozialen Netzwerken und auf Internetvideoplattformen werden etwa Kurden, Armenier, Griechen, Juden und Homosexuelle beleidigt und bedroht. Dabei zeige sich, so die Bundesregierung, daß diese Jugendbewegung »insbesondere die der Ideologie entnommenen Feindbilder nicht nur im Internet, sondern auch in der realen Welt auslebt«, so im Orginal.
Im Klartext: Es wird schon mal zugeschlagen oder mit dem Messer zugestochen. Die Bundesregierung zählt 17 Fälle auf, in denen es seit 2011 zu Angriffen von türkischen Nationalisten auf Kurden kam. So machten vier Männer am Rande der Hamburger DGB-Kundgebung am 1. Mai 2012 zuerst das Handzeichen der »Grauen Wölfe« und schlugen dann unvermittelt einen kurdischen Kundgebungsteilnehmer mit Fäusten nieder. In Berlin-Kreuzberg griffen im September letzten Jahres Anhänger des türkisch-nationalistischen Fußballoberligisten Hürtürkel aus ihrem Vereinsheim heraus eine Solidaritätsdemonstration mit den Gezi-Park-Protesten in der Türkei an. Die aufgelisteten Übergriffe sind erfahrungsgemäß nur die Spitze des Eisberges, denn viele Auseinandersetzungen werden nicht gemeldet oder als unpolitischer Streit unter Jugendlichen verbucht, wie man es auch im Falle von Angriffen deutscher Neonazis kennt. Da die »Wölfe« keine Bekennerbriefe verfaßten, könne eine Reihe von Sachbeschädigungen und Brandanschlägen gegen kurdische und linke türkische Einrichtungen nicht eindeutig zugeordnet werden, zitierte Spiegel online einen Staatsschutzbeamten. Auch Ömer Güney, der mutmaßliche Mörder der drei kurdischen Politikerinnen, die vor gut einem Jahr in Paris erschossen wurden, trieb sich jahrelang im türkisch-nationalistischen Milieu in Oberbayern herum.
In den Jahren 2011 und 2012 fanden, parallel zu einer Verschärfung des Krieges zwischen der türkischen Armee und der PKK-Guerilla, insgesamt 29 kurdenfeindliche Demonstrationen mit bis zu 1200 Teilnehmern in Deutschland statt. Zulauf scheinen neben der »Ülkücü«-Jugendszene auch die organisierten »Grauen Wölfe« zu bekommen. 13000 Anhänger der ADÜTDF versammelten sich nach Angaben der Bundesregierung Mitte November zur Hauptversammlung der Föderation in der Arena in Oberhausen, Medien hatten die Zahl nur mit 6000 angegeben.
Der verstorbene Führer der rechten »Partei der Nationalistischen Bewegung« (MHP) in der Türkei und Hitler-Verehrer Alparslan Türkes hatte bereits 1996 seine Anhänger in Deutschland zum Eintritt in die CDU aufgefordert. Umgekehrt empfahl vor einigen Jahren eine Studie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung Unionspolitikern »aus politstrategischen Gesichtspunkten« im Einzelfall abzuwägen, »inwieweit eine zielgerichtete Zusammenarbeit« mit türkischen Rechten möglich sei. Heute sollen zahlreiche »Graue Wölfe« der CDU angehören, wie ein selbst den Christdemokraten beigetretener Funktionär eines ADÜTDF-Vereins in Hamm im vergangenen Jahr gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bestätigte.
Auch Politiker von SPD und Grünen suchen beim Buhlen um Wählerstimmen immer wieder die Nähe zu Vereinen der »Grauen Wölfe«. Doch während Sicherheitsbehörden gegenüber Spiegel online bestätigten, daß deren Unterwanderungsstrategie »allmählich Früchte« trage, will die Bundesregierung hierzu »keine eigenen, über vereinzelte Pressespekulationen hinausgehenden Erkenntnisse« besitzen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt keine Berührungsängste. Bei einem Staatsbesuch im März 2010 traf sie sich in Ankara auch mit Devlet Bahceli, dem Vorsitzenden der MHP, die die drittstärkste Fraktion im türkischen Parlament stellt.