Bereits vergangene Woche hatte sich der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bei seinem Besuch im Libanon verplappert: die Bundesrepublik wolle weitere 10000 Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen. Da die Innenminister der Länder zu diesem Zeitpunkt noch keineswegs alle zugestimmt hatten, mußte Steinmeier am nächsten Tag zurückrudern. Hintergrund ist wie immer der Streit ums Geld: Insbesondere die Innenminister von Hessen und Bayern wollten ihre Zustimmung zu dem Aufnahmekontingent von einer Kostenübernahme durch den Bund abhängig machen.
Nun ist Bewegung in die Sache gekommen, voraussichtlich werden die Innenminister und -senatoren der Länder bei ihrer Konferenz (IMK) an heutigen Donnerstag und Freitag in Bonn das nunmehr dritte Aufnahmekontingent für syrische Flüchtlinge beschließen. Die Flüchtlingsrechtsorganisation Pro Asyl kritisierte auch den Beschluß von 10000 neuen Aufnahmeplätzen als »unzureichend«. Pro Asyl gab den Bedarf mit 80000 Aufnahmeplätzen an. In dieser Größenordnung waren bei den Ausländerbehörden Anträge von in Deutschland lebenden Syrern auf Aufnahme ihrer Verwandten aus dem Krisengebiet eingegangen, nachdem von der IMK im Dezember ein Kontingent von 5000 Flüchtlingen mit Verwandten in Deutschland beschlossen worden war. Allerdings gilt für dieses Kontingent wie für das bereits vor einem Jahr beschlossene von ebenfalls 5000 Plätzen, daß es bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Von den 10000 Flüchtlingen aus den ersten beiden Kontingenten sind erst etwa 4600 eingereist. Grund sind laut Pro Asyl vor allem »selbstgeschaffene Probleme der deutschen Bürokratie«.
Die bereits bei den letzten IMK gepflegten Feindbilder »Salafisten« und »Hooligans« stehen auch bei der jetzigen Konferenz hoch im Kurs. Der IMK-Vorsitzende und NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) schlägt für eine gezieltere Verfolgung von Rädelsführern der Fußball-Hooligan-Szene die Bündelung von Gerichtsverfahren an einem Ort vor. Einer solchen von Jäger als »Quantensprung« bezeichneten Konzentration der Verfahren müßten alle Innen- und Justizminister zustimmen. Bislang kämen Intensivtäter ungeschoren oder mit einer Bewährungsstrafe davon, weil die jeweils am Ort der Straftatbegehung zuständigen Justizbehörden nur den Einzelfall sehen, beklagt Jäger. In Wirklichkeit liegen natürlich den örtlichen Gerichten etwaige Vorstrafenregister eines Angeschuldigten einschließlich laufender Bewährungen vor. Eine solche Regelung wäre ein gefährlicher Präzedenzfall, der auch auf politische Aktivisten Anwendung finden könnte. Zu den weiteren von den Innenministern diskutierten Maßnahmen gegen Gewalt in Verbindung mit Fußball gehören verringerte Kartenkontingente für Auswärtsfans bei sogenannten Risikospielen und personalisierte Tickets. Bis zur Herbst-IMK soll eine Arbeitsgruppe konsensfähige Vorschläge vorlegen.
Thema der IMK sind auch Maßnahmen gegen das Geschäft mit gestohlenen Mobiltelefonen. Im Gespräch sind eine Gerätesperre und Software, die alle Smartphone-Funktionen lahmlegt. Der IMK-Vorsitzende Jäger hofft hier auf die Kooperationsbereitschaft der Mobilnetzbetreiber, doch auch eine gesetzliche Regelung wäre für ihn denkbar. Zu befürchten ist, daß eine solche »Wegfahrsperre«, wenn sie einmal realisiert wird, nicht nur Handy-Klau eindämmen soll, sondern auch zur Abschaltung der Telekommunikation mutmaßlicher »Gefährder« oder unliebsamer politischer Aktivisten etwa im Vorfeld von Großereignissen mißbraucht werden kann.
Schließlich werden sich die Innenminister laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines neuen Meldegesetzes befassen. Vor zwei Jahren hatte der Bundesrat einen ersten Entwurf, der etwa die Weitergabe von Bürgerdaten an Werbefirmen billigte, mit großer Mehrheit abgeschmettert. »Melderegister dürfen weder zum Datenpool privater Unternehmen werden noch als Vorratsdatenspeicherung der Sicherheitsbehörden dienen«, kritisierte Linksfraktionsinnenexperte Frank Tempel bei der ersten Lesung des neuen Gesetzentwurfs im Mai.