Seit einer Woche läuft eine neue Großoffensive des »Islamischen Staates« gegen Kobani, den kleinsten der drei kurdischen Selbstverwaltungskantone im Rojava genannten Norden Syriens. Der direkt an die Türkei grenzende Kanton hält bereits seit mehr als zwei Jahren einer Belagerung durch vom Westen und den Golfmonarchien zum Kampf gegen die syrische Regierung hochgerüsteten dschihadistischen Banden stand. Die nur leicht bewaffneten Volksverteidigungseinheiten (YPG) leisten dem inzwischen über Panzer und schwere Artillerie verfügenden IS erbitterten Widerstand. Sollte Kobani fallen, droht ein Genozid an den ansässigen oder aus anderen Landesteilen dorthin geflohenen Kurden und anderen Bevölkerungsgruppen.
Jetzt präsentiert sich die türkische Regierung als Retterin für bislang mehr als 130000 über die Grenze gekommene Flüchtlinge aus Kobani. Doch gleichzeitig unterstützt Ankara weiter die IS-Terroristen, wie kurdische Medien und Politiker nachwiesen. So ist die türkische Grenze bei Kobani offen für die aus aller Welt zum Morden nach Syrien strömenden Dschihadisten. Verwundete IS-Kämpfer werden in türkischen Krankenhäusern behandelt. Züge und Militär-Lkw bringen Kisten mit Waffen und Munition für den IS an die Grenze.
Einerseits setzt das AKP-Triumvirat aus Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, Ministerpräsident Ahmet Davutoglu und Geheimdienstchef Hakan Fidan weiter auf den IS als Instrument zur Zerschlagung der kurdischen Selbstverwaltung in Rojava. Und andererseits benutzt Ankara den von ihm selbst gewährten Dschihadistenterror nun als Vorwand, um ein direktes militärisches Eingreifen der Türkei in Syrien vorzubereiten.
In den vergangenen Jahren konnte die türkische Regierung für ihre Forderung nach Einrichtung einer Flugverbots- und Pufferzone in Nordsyrien noch keine Zustimmung ihrer NATO-Partner finden. Diese scheuten ein direktes militärisches Engagement in Syrien und setzten auf die Hochrüstung der Regierungsgegner dort, aus deren Reihen der IS entsprang. Unter dem Eindruck der aktuellen Entwicklung könnte es einen Kurswechsel der NATO in dieser Frage geben.
Doch eine durch türkische Truppen errichtete »Schutzzone« würde keine Sicherheit für die Bevölkerung im Norden Syriens bedeuten. Sie würde vielmehr auf die Zerschlagung der Autonomiestrukturen in Rojava zielen. Eine Flugverbotszone richtete sich ohnehin allein gegen die syrische Luftwaffe. So solle der »gemäßigten Opposition« der Rücken im Kampf gegen den IS gestärkt werden, lautet die verquere Argumentation aus Ankara. Mit den in der Türkei stationierten »Patriot«-Einheiten der Bundeswehr, die bei der Schaffung einer Flugverbotszone für Feuerschutz zu sorgen hätten, ist Deutschland ein Teil dieses schmutzigen Spiels, in dem der IS als Werkzeug für die Drecksarbeit dient.