1. Beratung eines Entwurfs der Bundesregierung eines Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes auf 18/2592
Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor über zwei Jahren in der Tat, Frau Staatssekretärin hat das Bundesverfassungsgericht das Asylbewerberleistungsgesetz für grundgesetzwidrig erklärt. 20 Jahre haben Bundesregierungen unterschiedlicher Couleur die Grundrechte von Flüchtlingen missachtet. Ich fände es wirklich angebracht, dass sich die Verantwortlichen hier einmal bei den Betroffenen für dieses jahrelange Unrecht entschuldigen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Denn der Tenor der Verfassungsgerichtsentscheidung lautete: Die Würde des Menschen ist nicht relativierbar, auch nicht aus Gründen der Migrationspolitik.
(Beifall bei der LINKEN)
Das alte Gesetz hat vorgesehen, Flüchtlingen und Geduldeten vier Jahre lang weit weniger als den üblichen Sozialhilfesatz zu gewähren. Damit wurde ihr Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum verletzt was die Linke schon immer kritisiert hat. Das Gericht gab dem Gesetzgeber auf, unverzüglich eine verfassungskonforme Neuregelung vorzulegen. Dies hat nun zwei Jahre gedauert.
Was Sie hier jetzt vorgelegt haben, ist beschämend.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie hätten die Chance gehabt, auf eine diskriminierende Sonderbehandlung von Asylsuchenden einfach zu verzichten. Stattdessen setzen Sie weiter darauf, Flüchtlinge durch Diskriminierung und Demütigung abzuschrecken und auszugrenzen. Das ist inhuman und unverantwortlich. Da sagt die Linke ganz klar: Menschenrechte müssen in Deutschland auch für Flüchtlinge gelten.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, in den letzten Tagen wurde zu Recht viel über die massiven Übergriffe von Wachpersonal auf Flüchtlinge gesprochen. Es ist nicht hinnehmbar, dass Menschen im Grunde genommen misshandelt werden. Das muss sofort strafrechtliche Folgen für diejenigen haben, die eine solche Misshandlung ausgeführt haben.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage auch: Diese individuellen Übergriffe sind nur ein Symptom in unserer Gesellschaft. Asylsuchende wurden über Jahre systematisch von Staats wegen, so muss man sagen, in ihren Menschenrechten verletzt; ich erinnere hier nur an die Residenzpflicht, an das Arbeitsverbot und an viele andere Schikanen. Das muss sich wirklich grundlegend ändern, und das passiert mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Notwendig wären bezahlbare Wohnungen. Notwendig wäre es, endlich die Sammellager abzuschaffen,
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
wo Menschen zusammengepfercht sind, wo es nicht mehr um Menschenwürde geht und Konflikte vorprogrammiert sind. Oftmals sind solche Lager irgendwo in der Pampa, sodass Flüchtlinge aus den Städten und aus dem gesellschaftlichen Leben regelrecht verbannt werden. Solche Schikanen müssen endlich aufhören.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zu einer grundsätzlichen Änderung gehört auch, auf das Sachleistungsprinzip zu verzichten.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Flüchtlinge müssen endlich Bargeld erhalten, damit sie ihre Lebensmittel und ihre Kleidung selbst einkaufen können, damit sie sich eine Wohnung mieten können, damit sie, kurz gesagt, all die Dinge tun können, die erwachsene Menschen selbstbestimmt tun können – wie jeder andere Mensch auch. Leistungen nach dem Sachleistungsprinzip und das Leben in Sammellagern sind entwürdigend und entmündigend. Deswegen gehören sie abgeschafft.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, eindeutig verfassungswidrig ist es, dass Sie das Sanktionssystem in diesem Gesetz beibehalten wollen. Flüchtlinge, die – angeblich – ihre eigene Abschiebung behindern, sollen bestraft werden, indem man ihnen sämtliche Leistungen reduziert und indem das wenige Taschengeld auch noch gestrichen wird. Das ist genau das, was Karlsruhe verboten hat – es hat gesagt: die willkürliche Beschneidung des menschenwürdigen Existenzminimums darf es nicht geben -, und ich finde es wirklich perfide, dass so etwas noch im Gesetz steht.
Noch eines: Flüchtlinge müssen endlich den vollen Zugang zur gesundheitlichen Versorgung haben.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben schon oft genug gehört, dass Flüchtlinge an behandelbaren Krankheiten gestorben sind, weil Heimleitung oder Wachpersonal sich einfach geweigert haben, einen Krankenwagen zu rufen.
Hier will ich zum Schluss noch einmal ganz deutlich sagen, um es auf den Punkt zu bringen: Das Asylbewerberleistungsgesetz ist entmündigend und diskriminierend. Es fördert Rassismus in unserer Gesellschaft. Deswegen gehört es abgeschafft.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Die Abschaffung ist überfällig!)