Antikriegskonferenz, 4. 10. 2014, Haus der Demokratie
Anrede
Das Stichwort Militarisierung wurde heute im Programm schon mehrfach angesprochen, ich will das um einige Facetten erweitern.
Vorher aber eine grundsätzliche Bemerkung: Wenn wir „Militarisierung“ sagen, meinen wir natürlich nicht die Form des preußischen Pickelhauben-Militarismus. Dessen vermeintlich glorreiche Zeiten sind zum Glück vorbei. Das zeigt nichts deutlicher als die dauernden Klagen aus der Bundeswehr, sie erhalte nicht genügend Unterstützung und Anerkennung aus der Gesellschaft. Anders ausgedrückt: Es gibt in Deutschland nur wenig Unterstützung für offenen Kriegskurs und Militarisierung.
Wir reden aber über eine Form schleichender Militarisierung, einer langsamen und scheinbar unaufdringlichen Präsenz des Militärs und militärischer Logik.
Manchmal erschrecke ich selbst, wenn ich mir vor Augen halte, dass die Bundeswehr auf 17 Einsätzen in aller Welt vertreten ist, jetzt im Moment. Alleine in diesem Jahr sind neue Missionen in der Zentralafrikanischen Republik, in Mali, in Somalia beschlossen worden. Im Sudan sind ohnehin schon deutsche Soldaten, und vor der somalischen Küste kreuzen seit Jahren Kriegsschiffe der Bundeswehr im Anti-Piraterie-Einsatz.
Verkauft wird uns das in der Regel als Einsatz für Menschenrechte, als humanitäre Mission, die mal mit „robustem“ Mandat durchgeführt werden müsse, im Interesse der Bevölkerung vor Ort.
Aber durch diese humanitäre Propaganda schimmert ab und zu die wahre Absicht durch: Etwa als der frühere Bundespräsident Horst Köhler auf dem Rückflug aus Afghanistan im Radio erklärte, die deutsche Kriegspolitik hänge direkt mit den wirtschaftlichen Interessen der deutschen Exportwirtschaft zusammen. Das war wahrscheinlich das Ehrlichste, was Köhler in seiner ganzen Amtszeit gesagt hatte, und er wurde daraufhin mehr oder weniger zum Rücktritt gedrängt.
Auch der Einsatz gegen Piraterie zeigt, dass es um egoistische wirtschaftliche und strategische Interessen der Industriestaaten geht. Über Jahrzehnte haben Industrieunternehmen vor der somalischen Küste die Fischbestände illegal weggefischt, und noch dazu ihren Müll verklappt. Das hat hier niemanden interessiert. Aber nachdem einige dieser Fischer in ihrer Not zu den Piraten gingen, holte man das Militär, um auf sie zu schießen.
Ich sage das, weil ich es für sehr wichtig halte, solche Zusammenhänge immer wieder aufzuzeigen. Kritik am Krieg ist für mich auch eine Frage der Wirtschaftsform, ich bin überzeugt, dass eine profitorientierte Gesellschaftsordnung auf Dauer nicht friedensfähig sein kann.
Zugleich müssen wir der Kriegspropaganda der Regierung und der Medien etwas entgegensetzen.
1999 haben sie uns erzählt, die Serben schlachteten Kosovaren ab, später erwies sich der Hufeisenplan als große Lüge. Der Afghanistan-Krieg wurde uns als Kreuzzug für Menschenrechte verkauft, heute ist die Lage dort schlechter als jemals zuvor.
Wenn ich beim Punkt Propaganda bin, komme ich auch zum Aspekt der Militarisierung des Inlands. Ich habe ja schon gesagt: Es geht nicht darum, dass die Massen mit wehenden Fahnen hinter der Bundeswehr herlaufen. Zum Glück nicht. Es geht aber darum, dass das Militär auf eine scheinbare Normalität setzt, auf die allmähliche Gewöhnung an Krieg als normale Option der Politik.
Schleichende Militarisierung vollzieht sich im Bereich etwa von Videospielen, im Bereich der Instrumentalisierung von Hochschulen als Forschungsstätten des Militärs, aber auch durch die immer ausgedehnteren Rekrutierungskampagnen der Bundeswehr. Darüber ist ja heute schon berichtet worden.
Öffentlicher Raum
Ich will jetzt schwerpunktmäßig einige Ausführungen zur militärischen Präsenz im öffentlichen Raum und an Schulen machen. Die Zahlen beruhen in der Regel auf Antworten auf Kleine Anfragen, die mein Büro regelmäßig zu diesem Thema stellt.
Die Bundeswehr hat ein ernstes Rekrutierungsproblem. Es bewerben sich zu wenige, jedenfalls zu wenig qualifizierte Bewerber. Ich will festhalten: Das ist eine außerordentlich erfreuliche Nachricht für uns!
Deswegen setzt die Bundeswehr nach dem Motto Klotzen statt Kleckern auf großangelegte Reklamekampagnen. Vor zwei Jahren waren im Verteidigungshaushalt noch 16 Millionen Euro für Nachwuchswerbung eingestellt. Dieses Jahr sind es 30 Millionen, im nächsten Jahr 35 Millionen. Immer häufiger trifft man in Zeitungen, im Fernsehen, im Radio oder einfach auf der Straße auf Bundeswehr-Reklame.
1500 mal hat sich die Bundeswehr im vergangenen Jahr an Messen und Ausstellungen beteiligt, mit sogenannten Karriereberatern. Das können alle möglichen Ausstellungen sein, Jugendmessen natürlich, aber auch Handwerks- und Hobbyausstellungen. Die haben in aller Regel überhaupt keinen militärischen Hintergrund, auch nicht immer einen beruflichen – es sind einfach Veranstaltungen, die viele Menschen anlocken, und da will dann auch die Bundeswehr hin.
Rein nominell hat die Bundeswehr damit einigen Erfolg: Sie hat mit ihren Reklameeinheiten vor drei Jahren 10,2 Millionen Menschen erreicht, vor zwei Jahren 12,3 Millionen und im vergangenen Jahr gar 15 Millionen. Das sind Angaben der Messeveranstalter, die man natürlich kritisch betrachten muss, aber dass die Tendenz nach oben geht, halte ich, leider, durchaus für glaubhaft.
Bei diesen Reklameeinsätzen geht es häufig auch sehr unterhaltsam zu, es werden lokale Musikgruppen organisiert, es gibt Ratespiele, Entertainment, und selbstverständlich dürfen auch schon Kleinstkinder auf bereitgestellten Panzerfahrzeugen herumklettern. Es gibt eine offizielle Anordnung der Bundeswehr, dass Kinder keine Waffen anfassen dürfen, aber Panzer und übrigens auch Kampfflugzeuge gelten nicht als „Waffen im Sinne des Waffengesetzes“ und deswegen dürfen da Kinder explizit herumturnen; Kriegsgerät wird wie Spielzeug dargestellt.
Die Bundeswehr sieht darin ein ganz normales Werben für sich als Arbeitgeber, so wie andere Arbeitgeber das eben auch tun.
Aber es geht um mehr: All diese Menschen werden dabei mit Aussagen konfrontiert, dass Militär etwas Normales sei, dass die Bundeswehr den Frieden sichere.
Und jeder Auftritt der Bundeswehr ist auch eine Werbung für den Afghanistan-Krieg, für den Anspruch auf weltweite Interventionsbereitschaft, für die Verwendung militärischer Mittel in der Politik.
Das ist eine Form der Militarisierung, es ist eben Werben fürs Sterben, und fürs Töten.
Es ist also nötig, breite Proteste gegen diese Werbeauftritte zu entfalten –
und genau das passiert übrigens auch, was ich hier ebenfalls sagen will: Es gibt immer wieder antimilitaristische Proteste, gerade in größeren Städten, aber auch in vielen Kleinstädten. Ich stelle jedes Quartal eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung, um herauszufinden, in welchen Orten und an welchem Datum die Bundeswehr auftritt, und stelle diese Liste dann ins Internet.
Die Bundesregierung hat mir neulich mitgeteilt, dass im vergangenen Jahr bundesweit 39 Protestaktionen erfasst worden sind. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das längst nicht alle gewesen sind. Die Bewachungskosten für solche Werbeveranstaltungen mussten teilweise um 50 Prozent erhöht werden. Ich finde das eine ganz erfreuliche Resonanz…
Beispiele für Aktionen werden auf der Homepage
Bundeswehr-wegtreten.org
genannt. Da gibt es manchmal Attacken, wo Mehlbeutel auf Bundeswehroffiziere geworfen werden; da gibt es ganz phantasievolle Aktionen, wo etwa ein Bundeswehrstand mit so einem rot-weißen Band abgesperrt und eine Quarantäne erklärt wird, weil das Militär tödlich ist,
und immer wieder übergießen sich Aktivisten mit Kunstblut und führen drastisch vor Augen, worauf Krieg letztlich hinausläuft.
Schulen, Jugendoffiziere
Anrede,
diese Form der Kriegspropaganda findet wenigstens noch öffentlich statt, so dass auch öffentliche Kritik stattfinden kann. Wesentlich perfider ist allerdings, dass Offiziere der Bundeswehr, sog. Jugendoffiziere, in Schulen auftreten, im regulären Unterricht, bei Anwesenheitspflicht der Schüler.
Natürlich ist es wichtig, dass Schüler etwas über Krieg und Frieden lernen – aber das einem Bundeswehroffizier zu überlassen, finde ich unmöglich. Der ist nämlich per Dienstanweisung, verpflichtet, die offiziellen Positionen des Verteidigungsministeriums zu vertreten.
Das ist so, wie wenn man zum Beispiel das Thema Energie einem Vertreter eines großen Stromkonzerns überlässt, der dann natürlich Reklame für seinen eigenen Laden macht. Die Jugendoffiziere berichten übereinstimmend, dass die meisten Jugendlichen sich praktisch noch nie Gedanken über Politik gemacht haben. Und die ersten, von denen sie dann 90 Minuten lang etwas über die Bundeswehr hören, sind ausgerechnet Soldaten, die ihnen sozusagen den ersten Stempel aufdrücken können.
Im letzten Jahr haben die Jugendoffiziere Vorträge vor insgesamt 117.000 Schülerinnen und Schülern gehalten, bzw. sie zu sog. Truppenbesuchen in Kasernen eingeladen. Zusätzlich zu Jugendoffizieren gehen sogenannte Karriereberater an die Schulen gehen. Diese haben letztes Jahr 206.000 Jugendliche erreicht. Die Arbeitsteilung sieht folgendermaßen aus: die Jugendoffiziere vermitteln die politische Legitimität der Bundeswehr und der NATO, polieren also praktisch deren Image, und die Karriereberater preisen danach die Jobs bei der Bundeswehr an.
Was ich besonders perfide finde: Beide, Jugendoffiziere wie auch Karriereberater, setzen intensiv darauf, Lehrer anzusprechen – sie bieten Seminare für Lehrer und Referendare an, Truppenbesuche usw. Letztes Jahr haben die Jugendoffiziere auf diese Wise 9193 Lehrer, 2538 Referendare und 742 Vertreter von Schulbehörden erreicht, die Karriereberater haben 2012 vor 25.000 Lehrkräften Vorträge gehalten (2013 nicht erfasst!) . Perfide finde ich das, weil damit praktisch eine Art militärisch eingebetteter Unterricht vorbereitet wird. Schüler, und übrigens auch Eltern, müssen darauf vertrauen können, dass ihre Lehrer neutral sind, und dieses Vertrauen wird zwangsläufig untergraben.
Auch hier gibt es zum Glück Widerstand. In etlichen Ländern, ich weiß es von Berlin, NRW, Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, haben sich Bündnisse gegründet, die Proteste organisieren, wenn sie von Militärterminen in Schulen erfahren. (An diesem Punkt sind die Antworten der Bundesregierung auf unsere Anfragen leider immer spärlich!)
Da wird dann entweder vor der Schule demonstriert, oder es werden im Unterricht Aktionen durchgeführt, oder im Vorfeld die Schulleitung aufgefordert, die Veranstaltung abzusagen. Für besonders wichtig halte ich es, dass die GEW da mit im Boot ist, nach anfänglichen Schwierigkeiten gibt es da eine ganz klare Positionierung des Bundesvorstandes gegen Jugendoffiziere an Schulen.
Wir haben zu diesem Thema auch zwei Fachgespräche im Bundestag organisiert, mit Aktiven und Initiativen; denn eine zentrale Frage sehe ich darin, den Austausch zwischen Lehrern, Schülern und Eltern zu organisieren. Ich glaube, es wäre hilfreich, wenn auch verstärkt versucht würde, solche Eltern in die Proteste einzubinden, die nicht unbedingt per se antimilitaristisch sind, die aber einfach etwas dagegen haben, dass ihre Kinder ausgerechnet von der Bundeswehr indoktriniert werden sollen, statt neutral vom Lehrpersonal unterrichtet zu werden.
Sportkooperationen, Jugendmarketing
Anrede,
Ich will jetzt nur noch kursorisch auf einige andere Aspekte dieser Form der Militarisierung eingehen und auch einige Zahlen nennen, die in aller Regel auf Kleinen Anfragen beruhen, die ich immer wieder an die Bundesregierung richte.
Der Werbeetat der Bundeswehr ist wie gesagt aufgerüstet worden, von knapp 16 Millionen Euro auf 35 Millionen Euro im kommenden Jahr. Das ist nur für die Nachwuchswerbung, weitere rund vier Millionen Euro gehen für sogenannte Öffentlichkeitsarbeit drauf. Die 554 Dienstposten der Karriereberater kosten 22,4 Millionen Euro. Das ist ein Budget, von dem Friedensgruppen nur träumen können. Deswegen halte ich übrigens nicht viel von der Forderung, Jugendoffiziere nur gemeinsam mit Friedensaktivisten in die Schulen zu lassen, weil es schlicht und einfach keine vergleichbaren Ausgangsbedingungen, keine „Waffengleichheit“ gibt.
Also, noch ein paar Aspekte:
Sportbereich:
In den Stadien wird ebenfalls mehr geworben. 250.000 Euro im Jahr 2012, fast 450.000 Euro im Jahr 2013 wurden ausgegeben für Bandenwerbung, Trikotaufdruck, Videoclips auf der Stadionleinwand usw. Das meiste Geld ging an den SC Hannover 96, allein 65.500 Euro.
Klar, das sind für so einen Verein peanuts, aber wichtig ist, dass man heutzutage selbst beim Fußballspiel mit Militärwerbung konfrontiert wird.
Übrigens läuft auch das nicht immer ohne Protest ab: Weil der FC Rostock der Bundeswehr für 5500 Euro Werbeplatz auf Taschen und T-Shirts überlassen hat, gärt es in dem Klub, der über eine beachtliche linke Anhängerschaft verfügt. Die linksalternative Punkband Feine Sahne Fischfilet hat vor wenigen Wochen ihr Engagement für den Verein eingestellt, und selbst ein örtlicher SPD-Politiker kritisierte in der taz diese Woche, die Bundeswehr-Werbung spalte den Verein.
Auch auf diese Weise kann man also antimilitaristisch aktiv sein!
Dann gibt es noch das sogenannte Jugendmarketing der Bundeswehr; schon der Name klingt recht grausig. Hier geht es darum, ich zitiere mal das frühere Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr:
„jugendgerechte Veranstaltungen mit einem höheren Unterhaltungswert“ durchzuführen, sprich: Die Jugendlichen mit sogenannten „Events“ und den Attributen Sport, Spaß, Technik, Fun für die Bundeswehr zu interessieren. Was dabei herauskommt, sind Beachvolleyball-Turniere, Klettertouren in den Bayerischen Alpen, Fußballturniere usw., häufig in Kooperationen mit der Jugendzeitschrift Bravo. Übrigens gibt es auch immer wieder Jugendpressekongresse, bei denen die Bundeswehr die Redakteure von Schülerzeitschriften versammeln – das kostet nicht viel, und die Militärs hoffen auf Anzeigen und wohlwollende Artikel in den Schülerzeitungen.
Ich will zum Schluss noch auf eines hinweisen: Solche, ganz gezielt auf Jugendliche abgestimmten Werbekampagnen verstoßen nicht nur gegen den guten Geschmack und den Gedanken der Friedenserziehung, sondern auch internationaler Kinderrechtskonventionen.
Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat im Februar dieses Jahres empfohlen, Zitat: „alle Werbemaßnahmen der deutschen Streitkräfte, die auf Kinder zielen, zu verbieten.“
Das war der Aufklärungsarbeit von Organisationen wie der Deutschen Kindernothilfe und terre des hommes zu verdanken.
Die Bundesregierung hat mir auf Anfrage zwar vorige Woche mitgeteilt, sie werde sich daran nicht halten. Genauer gesagt hat sie in bestem Orwellschen Neusprech erklärt, sie komme dem Auftrag zum Schutz von Kindern „durch eine umfassende Aufklärung und Beratung bezüglich der Chancen und Risiken des Soldatenberufes“ nach. Wer schon mal so ein „Jugendevent“ gesehen hat, weiß, dass es da nicht um Aufklärung geht.
Dennoch: Ich halte solche UN-Erklärung für wichtig, weil sie ein gutes Argument ist, wenn wir unsere Proteste gegen solche militaristischen Shows öffentlich begründen.
„Amtshilfe“ usw.
. Über den Themenkomplex Zivil-Militärische Zusammenarbeit habe ich noch gar nicht gesprochen, das schaffe ich jetzt auch nicht mehr ausführlich, aber ich will nur daran erinnern, dass die Bundeswehr im Bereich der sogenannten Inneren Sicherheit zunehmend Aufgaben übernimmt. Begründet wird das meist mit Katastrophenschutz. Ich bin sehr für Hilfe bei Überschwemmungen, finde aber, dass doch viel besser der zivile Katastrophenschutz entsprechend gefördert werden soll, statt auf die Bundeswehr zu setzen.
Als Stichwort muss außerdem erwähnt sein, dass das Bundesverfassungsgericht schon vor zwei Jahren entschieden hat, dass im Rahmen der Katastrophenverhütung grundsätzlich auch die Bundeswehr mit militärischen Mitteln eingreifen darf. Einen näheren Rahmen hat das Gericht dafür nicht gezogen, und wir können von Glück sagen, dass die Regierungsparteien in diesem Punkt zu uneins sind und bislang keinen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt haben.
Und was die Bundesregierung unter „Amtshilfe“ und „ZMZ“ versteht, hat sich drastisch beim G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm gezeigt, als es einen riesigen Bundeswehreinsatz gab:
– 2000 Soldaten
– Über 800 Feldjäger, teilweise mit G3 auf Patrouille durch die ganze Region
– Weiträumige Demonstrationsverbote
– Aufklärungsflugzeuge über den Protestcamps
– Spähpanzer auf wichtigen Verkehrsabschnitten und vor „sensiblen“ Orten
– Ausgeprägte Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Polizei.
Der nächste Gipfel findet im Juni 2015 in Bayern statt. Ich habe mich neulich nach den Vorbereitungen erkundigt, und die Regierung lieferte eine lange Reihe von Besprechungsterminen zwischen Bundes- und Landesbehörden. Und gleich bei der allerersten Besprechung war das Thema, welchen Beitrag die Bundeswehr leisten kann.
Wir müssen also auch dieses Mal diesen Aspekt wieder im Blick haben.
Montags-Mahnwachen
Zu guter Letzt noch ein kritischer Hinweis:
Wir haben in den letzten Monaten eine neue Bewegung in Form der Montags-Mahnwachen erlebt. Ich gehöre jetzt nicht zu denen, die diese Bewegung in Bausch und Bogen verdammen. Da gab es einerseits eine hohe Beteiligung von Nazis, Verschwörungstheoretikern, Esoterik-Spinnern und Rechtskonservativen.
Es gab aber auch etliche unpolitisch denkende Bürgerinnen und Bürger, die einfach nur gemerkt haben, dass sie, gerade in Zusammenhang mit der Ukraine-Krise, von Regierung und Medien belogen werden, und die das Bedürfnis hatten, irgendwie tätig zu werden. Linke waren sich uneins, wie sie darauf reagieren sollten, einige haben sich an den Demos beteiligt, andere haben sie boykottiert. An manchen Orten, wie etwa in Leipzig und auch noch anderswo, ist es gelungen, diese Mahnwachen frei von rechtsextremen Einflüssen zu halten.
Ich will jetzt gar nicht weiter über diese Mahnwachen reden – worauf es mir ankommt, ist vielmehr: Dass diese Bewegung eine Zeit lang so viele Menschen mobilisieren konnte, verrät eine gefährliche Schwäche der Friedensbewegung und der linken Kräfte in diesem Land. Wir sind gut darin, Analysen zu liefern, aber politische Kampagnen wurden bis heute viel zu wenig entwickelt. Das Thema Ukraine wurde an Ostermärschen erörtert, dann wieder am 1. September, zwischendurch gab es höchstens mal eine vereinzelte linke Demo – damit sind wir dem Bedürfnis vieler potentieller Mit-Demonstranten längst nicht gerecht geworden. Da liegt noch eine Riesen-Aufgabe vor uns, eine doppelte Aufgabe: Selbst fähig zu werden, auch längere Kampagnen auf der Straße durchzuhalten, und zugleich für ein Mindestmaß an politischer (ideologischer) Klarheit in den Köpfen zu streiten.
Insgesamt will ich festhalten:
– Es gibt vielfache Facetten einer stillen, schleichenden Militarisierung
– In aller Regel bieten diese aber auch Möglichkeiten für Proteste. Grundsatz: Wenn die Bundeswehr in die Öffentlichkeit geht, kriegt sie es mit uns zu tun
– Proteste gegen Werbeauftritte, Bündnisse gegen Jugendoffiziere, Kampagnen für militärfreie Schulen zeigen dies, bis hin zu Protesten von Fußballfans gegen Bundeswehrreklame
– Unverzichtbar finde ich, angesichts des Propagandakrieges, dem wir ausgesetzt sind – siehe Ukraine – eigene, alternative Medien. Die gibt es ja teilweise schon, sowohl Printzeitungen wie etwa die junge Welt als auch Internet-Plattformen ganz verschiedener Art, wichtig wäre hier aber eine bessere Vernetzung, damit man sich nicht verzettelt. Der Kriegspropaganda muss jedenfalls kontinuierlich widersprochen, und unterdrückte Informationen vertrieben werden.
– Was wir außerdem benötigen, ist eine weit bessere Vernetzung mit anderen Bewegungen und Aktiven.
– Und wie gesagt gibt es die Baustelle: Wir müssen in der Lage sein, linke Angebote an (noch) eher unpolitische Menschen zu entwickeln, um das Feld nicht den Rechten vom Schlage eines Jürgen Elsässer zu überlassen.
– Bei alledem bin ich einigermaßen optimistisch: Die vielfältigen Aktivitäten von Friedensgruppen zeigen eine beachtliche Lebendigkeit der Bewegung!