Artikel: Geduldiges Papier

30 Jahre UN-Antifolterkonvention

 
Gastkommentar von Ulla Jelpke

(erschienen in der jungen Welt am 10.12.2014)

 

Der US-Senat legt einen Bericht über die Folterpraktiken der US-Behörden vor, und Expräsident George W. Bush, Folterer vom Dienst, proklamiert: »Wir können uns glücklich schätzen, Männer und Frauen zu haben, die bei der CIA hart arbeiten.« Bushs ehemaliger Stellvertreter Richard »Dick« Cheney verteidigt das Folterprogramm als »vollkommen gerechtfertigt«, weil es »weitere Massenangriffe« auf die USA verhindert habe. Ja, klar. Und früher konnten mit Daumenschrauben, Streckbänken und ähnlichen Instrumenten Hexen und Zauberer überführt werden. Die Schlaueren unter den Inquisitoren erkannten damals alsbald, dass diese »Ermittlungspraxis«, gelinde gesagt, fehleranfällig war.

Dem Vernehmen nach kommt der US-Senat jetzt zu einem ähnlichen Schluss: Die Verhörpraktiken der CIA waren weitgehend wirkungslos. Genauer gesagt dürften sie eher noch Öl ins Feuer ihrer Gegner gegossen haben. Dschihadistischen Terrorbanden zu empfehlen, es doch lieber auf die demokratische Art zu versuchen, bleibt solange absurd, wie die »freie Welt« selbst zu Methoden greift, die ihren Ursprung in mittelalterlichen Folterkellern haben.

Obama hat eingeräumt, »unmittelbar« nach dem Angriff auf das World Trade Center hätten die USA »einige Dinge gemacht, die falsch waren«. Dabei gehört Folter seit den 1960er Jahren zum Ausbildungsprogramm etwa der US-Army, wie im sogenannten Kubarck-Handbuch dargelegt. Und Guantánamo ist noch immer nicht geschlossen.

In Deutschland wird nicht gefoltert, oder besser: nicht systematisch. Aber die Bundesregierung tut wenig, um der Antifolterkonvention Nachdruck zu verleihen. Als die Existenz der CIA-Geheimgefängnisse in Europa bekannt wurde, hat sie mit Eifer jegliche Aufklärung sabotiert. Hemmungslos entsandte sie ihre Beamten in die Folterzellen Syriens, der USA, Ägyptens, um von den dortigen »Ermittlungsergebnissen« zu profitieren. Sie kooperiert auf der ganzen Bandbreite polizeilicher und militärischer Programme, von Ausbildung bis zu Aufrüstung, mit Regimen, die nachweislich foltern. In diesen Tagen bereitet sie ein »Sicherheitsabkommen« mit Mexiko vor, während die Welt entsetzt ist von der mörderischen Polizeigewalt dort. Und wer den Folterknechten, gleich welcher Couleur, zu entkommen trachtet, wird hierzulande gern als »Asylbetrüger« denunziert.

Vor über 30 Jahren trat die UN-Antifolterkonvention in Kraft. Ein gutes Papier, aber leider kaum mehr. Amnesty International zufolge wird heute noch in 141 Ländern der Erde gefoltert. Sei es, um Geständnisse von vermeintlich Schuldigen zu erzwingen, um Informationen aus vermeintlichen Zeugen herauszuprügeln, oder auch »nur« als Mittel der Disziplinierung und Einschüchterung missliebiger Bevölkerungskreise. Quälen und Misshandeln hat Konjunktur wie eh und je.

Ulla Jelpke ist innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag