Rede zu Top 13 der 73. Sitzung des 18. Deutschen Bundestages, 2.+ 3. Beratung eines Entwurfs der Bundesregierung eines Rechtsstellungsverbesserungsgesetzes auf 18/3144
Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung legt heute einen Gesetzentwurf vor, um den sogenannten Asyldeal des Bundesrates umzusetzen. Wir erinnern uns: Im September hat der Bundesrat der Einstufung von Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien als sichere Herkunftsstaaten zugestimmt, und zwar auch mit der Stimme des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann. Das magere Ergebnis dieses Deals liegt jetzt hier vor, mit dem sperrigen Titel Rechtsstellungsverbesserungsgesetz. Es enthält unbestreitbar einige Verbesserungen; aber diese Verbesserungen werden mit der Ausgrenzung einer großen Gruppe von Flüchtlingen erkauft. Im Kern geht es um die Residenzpflicht und die Versorgung von Asylsuchenden.
Die Residenzpflicht soll nun nach dreimonatigem Aufenthalt erlöschen. Das wird das Leben vieler Flüchtlinge zweifellos erleichtern, die dann nicht mehr vor jeder Zugfahrt bei der Behörde nachfragen müssen. Doch warum nach drei Monaten? Die Verletzung des Rechts auf Bewegungsfreiheit wird nicht erträglicher, wenn man sie auf drei Monate verkürzt. Deswegen bleibt die Linke dabei: Die Residenzpflicht gehört gänzlich abgeschafft.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, warum gibt es hier wieder Ausnahmen? Es reicht zum Beispiel schon der bloße Verdacht auf Besitz von Betäubungsmitteln. Ohne jeden Beweis, ohne Gerichtsbeschluss wird den Betroffenen dann jahrelang die Residenzpflicht wieder auferlegt. Das ist aus unserer Sicht vollkommen unverhältnismäßig.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch wenn ich zitiere konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung
bevorstehen, soll die Residenzpflicht wieder verhängt werden können. Schon bei den Beratungen im Innenausschuss konnte mir niemand erklären, was das eigentlich in der Praxis bedeutet. Eine solche Regelung, wie sie im Gesetz steht, ist völlig unbestimmt. Auf jeden Fall sind Geduldete von dieser Ausnahme besonders hart getroffen. In Deutschland leben etwa 100 000 Menschen, die geduldet sind, das heißt, mit anderen Worten, ausreisepflichtig sind. Viele von ihnen, etwa 50 Prozent, sind seit über sechs Jahren in Deutschland. Gegen sie können also jederzeit Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung ergriffen werden und damit in der Folge wieder die Residenzpflicht verhängt werden. Die angebliche Lockerung der Residenzpflicht ist gerade für diese Menschen nichts anderes als eine Mogelpackung.
Meine Damen und Herren, einen Schritt vor, einen Schritt zurück, das sehen wir auch beim Asylbewerberleistungsgesetz. Sie kündigen an, endlich den Vorrang von Geld- vor Sachleistungen festzuschreiben. Das heißt, Asylsuchende erhalten künftig keine Fresspakete, Einkaufsgutscheine oder Altkleiderbündel mehr, sondern Bargeld. Das wäre auch gut so. Auch hier gibt es aber wieder Ausnahmen: Erstens soll die neue Regelung nicht in den Erstaufnahmeeinrichtungen gelten, und zweitens gibt es eine Öffnungsklausel. Dort steht: soweit es nach den Umständen erforderlich ist, kann vom Vorrang der Geldleistungen abgewichen werden. Das ist der Türöffner für Länder und Kommunen, um wie zum Beispiel in Bayern an ihrer restriktiven Praxis festzuhalten. Das ist bestenfalls ein Fortschritt mit angezogener Handbremse, meine Damen und Herren.
Wir freuen uns natürlich über jede konkrete Verbesserung im Leben von Flüchtlingen, Asylsuchenden und natürlich auch Geduldeten. Dieser Gesetzentwurf setzt diesen Anspruch allerdings nur halbherzig um. Deswegen werden wir uns hier nur enthalten. Ich danke Ihnen.