„Die Bundesregierung muss sich in den Verhandlungen mit der griechischen Regierung auch der historischen Verantwortung Deutschlands für in Griechenland verübtes NS-Unrecht stellen“, erklärt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, mit Blick auf die aktuelle Berichterstattung zur Rückzahlung einer NS-Zwangsanleihe und Reparationszahlungen. „Es würde viel zu einer Entspannung des Verhältnisses zu Griechenland beitragen, wenn die Bundesregierung entsprechende Forderungen nicht brüsk zurückweist, sondern ernsthaften Verhandlungswillen zeigt. Rechtlich ist ihre Position ohnehin umstritten.“ Jelpke weiter:
Gar nichts ist geklärt. Das gilt zum einen für die Zwangsanleihe: Die Auffassung, diese falle in den Bereich angeblich erledigter Reparationen, ist keineswegs zwingend. Der Wissenschaftliche Dienst verweist darauf, aus der Anleihe könne auch ein ‚vertragsrechtlicher Darlehensrückzahlungsanspruch‘ abgeleitet werden. Die Zwangsanleihe war ein Kredit, den die Nazis der griechischen Nationalbank abgepresst hatten. Ein Rückzahlungstermin war nicht vereinbart worden – weshalb auch bis heute keine Verjährung eingetreten ist. Offen ist damit nicht die Frage, ob Deutschland zahlen muss, sondern nur, wie die deutschen Schulden von 476 Millionen Reichsmark bei Kriegsende in Euro umzurechnen sind. Darüber muss mit Griechenland verhandelt werden.
Zum anderen gilt dies für die Reparationspflicht: Auf der Londoner Schuldenkonferenz von 1953 wurden die Forderungen an Deutschland ‚bis zu der endgültigen Regelung der Reparationsfrage zurückgestellt‘. Diese steht bis heute aus. Die Bundesregierung argumentiert, der Zwei-plus-Vier-Vertrag habe die Reparationspflichten aufgehoben, und die KSZE-Staaten, darunter auch Griechenland, hätten dieser Regelung mit der Charta von Paris im Jahr 1990 zugestimmt. Daran sind zwei Aussagen falsch: In keinem der beiden Dokumente ist auch mit nur einem Wort der Begriff Reparation enthalten. Und die KSZE hat dem Zwei-plus-Vier-Vertrag nicht zugestimmt, sondern „mit großer Genugtuung Kenntnis“ von ihm genommen. Die Bundesregierung deutet dies als faktische Zustimmung. Der Wissenschaftliche Dienst hingegen führt aus, es seien Zweifel an einer solch weitgehenden Interpretation dieser Kenntnisnahme begründet.
Des Weiteren gibt es keine völkerrechtliche Grundlage für Versuche der Bundesregierung, griechische Reparationsforderungen als ‚zu spät‘ zurückzuweisen. Wenn sie diese als ‚präzedenzlos‘ bezeichnet, sollte sie sich vor Augen halten, dass präzedenzlos vor allem das Ausmaß der Nazi-Verbrechen war. Das Völkerrecht kennt keine Verjährung von Reparationsansprüchen. Zwar haben es die griechischen Regierungen bislang versäumt, ihre Forderungen mit Nachdruck und diplomatisch verbindlich vorzutragen, daraus schließt aber auch der Wissenschaftliche Dienst nicht, dass die Entschädigungsansprüche nun verwirkt seien.
Das Gutachten ist unter Verschluss, offiziell aus Gründen des Urheberrechtsschutzes. Klar wird aber: Die rechtliche Situation ist zwar kompliziert, aber umso einfacher ist die politische und humanitäre Bewertung. Deutschland darf nicht behalten, was die Nazis gestohlen haben. Es muss NS-Opfer, denen bis heute jegliche Wiedergutmachung verweigert wurde, endlich entschädigen. Die Linke steht an der Seite Griechenlands. Die neue Regierung eröffnet die Chance, dieses längst überfällige Kapitel zum Abschluss zu bringen. Deswegen fordern wir von der Bundesregierung: Sie muss ihre grundsätzliche Pflicht zur Rückzahlung der Zwangsanleihe und zu Reparationszahlungen anerkennen und mit der griechischen Regierung in faire Verhandlungen eintreten.“