Sollten Linke dem »Hilfspaket« für Griechenland zustimmen? Ulla Jelpke verneint diese Frage (Kolumne im ND, 16. 3. 2015)
Es ist nicht Aufgabe der Opposition, so zu tun, als sei sie in der Regierung. Sie ist auch nicht dazu da, einem Übel zuzustimmen, um vermeintlich größere Übel zu vermeiden. Aufgabe der Opposition ist es vielmehr, schonungslos anzusprechen und anzuprangern, was die Regierung verbockt und welche Anschläge auf die soziale Gerechtigkeit sie verübt. Und wenn die Bundesregierung, wie in Zusammenhang mit den vermeintlichen Hilfspaketen für Griechenland geschehen, einen Antrag vorlegt, die griechische Bevölkerung auch künftig in Hunger und Armut zu stürzen, dann ist es ganz bestimmt nicht Aufgabe ausgerechnet einer sozialistischen Oppositionspartei, dem ihren Segen zu geben.
Ich kann verstehen, wenn Linke sich unter Berufung auf die Position von SYRIZA enthalten haben, aber ich habe keinerlei Verständnis für jene Linken, die zustimmten. Was uns Abgeordneten da vorlag, war ja kein Antrag, der die Handschrift von SYRIZA trug, sondern ein Antrag, der zu 99 Prozent von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der ehemaligen Troika diktiert war.
Geld erhält Griechenland weiterhin nur gegen harte Auflagen, wie sie schon bisher galten. So ist auch der jetzigen Regierung ausdrücklich vorgeschrieben, bei jeder Maßnahme, die die »Haushaltsziele« gefährden könnte, die Genehmigung aus Brüssel einzuholen. SYRIZA musste schriftlich versichern, »dass die Haushaltslage durch die Bekämpfung der humanitären Krise nicht beeinträchtigt wird«. Im Klartext: Lieber sollen die Leute verhungern, als dass die Bankenrettung gefährdet wird! Es liegt auf der Hand, dass die griechische Regierung diese Bekundungen nur infolge massiver Erpressung abgegeben hat. Aber wir, die wir in Deutschland leben, also gewissermaßen im Land der Erpresser, haben die verdammte Pflicht, die Erpressung anzuprangern, und nicht, sie mitzutragen. Der Spielraum, den SYRIZA in den Verhandlungen gewonnen hat, ist derart marginal, dass es höchst fraglich ist, ob die Opfer des Spardiktats wirklich etwas davon haben werden. Der griechischen Regierung wurde zu alldem aufgezwungen, das Programm zur Privatisierung von Staatsunternehmen ohne jegliche Abstriche fortzuführen.
Dieses »Hilfsprogramm« ist die Fortsetzung einer menschenverachtenden Politik. Sie zwingt Griechenland, jeden Cent, den es den Arbeitern, Angestellten, Arbeitslosen und Rentnern im wahrsten Sinn des Wortes vom Munde abspart, an die europäischen Banken und Institutionen abzugeben. Das Programm bekräftigt die Verpflichtung Griechenlands, seinen gesamten Schuldenberg abzutragen, obwohl diese Forderung völliger Unsinn, weil absolut unerfüllbar, ist.
Zur Aufgabe einer linken Opposition gehört selbstverständlich auch die Solidarität mit linken Schwesterparteien, und hier insbesondere mit der griechischen Bevölkerung, die aufgrund kapitalistischer Verbrechen verarmt. Ich kann nicht erkennen, dass sich im »Ja« des Bundestages zum Antrag der Regierung eine solche Solidarität ausgedrückt hat, wenn eben dieser Antrag im Wesentlichen ein »Weiter so« fordert. Solidarität drückt sich vielmehr in der Abwehr der kapitalistischen Angriffe auf Griechenland aus. Das heißt zunächst, die Bundesregierung ganz klar als diejenige zu benennen, die wesentliche Verantwortung dafür trägt, dass in Griechenland Krankenhäuser schließen, Rentner auf Suppenküchen angewiesen sind und Kindern die Zukunftsperspektiven verschlossen werden. Das heißt aber auch, die Hetze bürgerlicher Medien zurückzuweisen, die den griechischen Widerstand gegen die Spardiktate diffamieren.
Dabei ist eines klar: Druck im Parlament reicht nicht. In der Auseinandersetzung um die Staats- und Bankenkrise offenbart sich die beschränkte Reichweite parlamentarischen Handelns. Nötig ist auch massiver Druck sozialer Bewegungen. Es braucht etwa in Deutschland die aktive Solidarität der Gewerkschaften, Arbeiter und Angestellten mit ihren griechischen Kolleginnen und Kollegen. Gemeinsam muss die Binsenweisheit klargemacht werden, dass Schuld an der Krise nicht ihre Opfer sind, sondern die Täter. Internationale Solidarität gegen die kapitalistischen Ausbeuter muss auf die linke Agenda, und speziell in Deutschland gilt es sich daran zu erinnern: Der Hauptfeind (der sozialen Gerechtigkeit) steht im eigenen Land!