„Es ist keine gute Idee des Sachverständigenrats, am gescheiterten Dublin-System festhalten zu wollen“, erklärt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der LINKEN zum heute vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration in seinem Jahresgutachten vorgestellten Modell einer Reform des EU-Asylsystems. Jelpke weiter:
„Der Vorschlag des Sachverständigenrats, am Dublin-System festzuhalten und dafür eine Freizügigkeitsregelung nach der Anerkennung vorzusehen, hat erhebliche Nachteile und leidet an Realitätsferne. Denn an den akuten Problemen des jetzigen Systems wird sich dadurch nichts ändern. Flüchtlinge werden weiterhin in dem EU-Land um Zuflucht nachsuchen, in dem Verwandte von ihnen leben, die sie gegebenenfalls aufnehmen und unterstützen können, oder dessen Sprache sie sprechen. Sie werden weiterhin versuchen, aus überforderten Erstaufnahmeländern, wie Griechenland oder Italien, und den häufig menschenrechtswidrigen Aufnahmebedingungen dort zu entkommen. Die Annahme gleicher und fairer Asyl-Mindeststandards in allen Ländern der EU war und ist – leider – eine Illusion.
Das Dublin-System funktioniert ohnehin nicht. Das zeigen im Übrigen auch die Zahlen: In weniger als 14 Prozent aller Fälle, in denen Deutschland einen anderen EU-Staat für zuständig hielt, erfolgte im Jahr 2014 dann auch eine Überstellung in diesen Staat. Und obwohl das Dublin-System einen riesigen Verwaltungsaufwand und für die Betroffenen erhebliche Belastungen bedeutet, verringerte sich die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland im Jahr 2014 infolge des Dublin-Systems um gerade einmal 2.500 Personen – bei über 200.000 Asylanträgen.
Das Modell des Sachverständigenrates hat einen weiteren offenkundigen Nachteil: Sollen sich Schutzsuchende künftig zwei Mal neu einleben und die Sprache des jeweiligen Aufnahmelandes lernen müssen? Oder sollen sie die Zeit im Erstaufnahmeland als bloße Wartezeit betrachten und untätig bleiben, weil sie ohnehin eine Weiterwanderung in ein anderes Land der EU, nach der Anerkennung, planen?
Es gibt bereits ein attraktives Gegenmodell zum bisherigen Dublin-System, auf das sich viele Verbände geeinigt haben und das auch von der LINKEN seit Jahren eingefordert wird, und das lautet: „free choice“. Statt Menschen gegen ihren Willen mit Zwang innerhalb der EU hin- und herzuschieben, sollen sie ihr Zufluchtsland selbst aussuchen können. Eventuell sich hieraus ergebende Ungleichverteilungen sollen vor allem auf der finanziellen Ebene ausgeglichen werden. EU-Länder mit besonders wenig Zulauf sollten mit EU-Fördermitteln beim Aufbau eines attraktiven Asylsystems unterstützt werden.