Rede zu TOP 12 der 100. Sitzung des Deutschen Bundestages, Antrag der LINKEN
Deutsche Beteiligung an der EU-Polizeimission in der Ukraine beenden
Drucksachen 18/3314, 18/3932 (zu Protokoll)
DIE LINKE beantragt, die deutsche Beteiligung an der EU-Polizeimission in der Ukraine zu beenden. Wir wollen nicht, dass deutsche Polizisten am Aufbau des ukrainischen Sicherheitsapparates beteiligt werden.
Denn die Mindestvoraussetzung dafür müsste sein, dass es ernstzunehmende Indizien dafür gibt, dass die ukrainische Regierung die Menschenrechte garantiert und demokratische Zustände anstrebt. Das ist aber absolut nicht zu erkennen. Ganz im Gegenteil gibt es in den letzten Monaten schwer wiegende Indizien dafür, dass dort eine zunehmend autoritäre Herrschaft aufgebaut wird.
Unsere Ablehnung der EU-Mission hat zwei wesentliche Gründe: Die Mission ist eine direkte Beteiligung am innerukrainischen Bürgerkrieg, und sie unterstützt einen Sicherheitsapparat, der in hohem Maße von faschistischen Kräften beeinflusst wird.
Die militärische Relevanz zeigt sich schon darin, dass zu den Ansprechpartnern auch der ukrainische Geheimdienst SBU gehört. Diesem obliegt die Leitung der sogenannten Anti-Terror-Operation, wie der Krieg im Osten des Landes von der ukrainischen Regierung bezeichnet wird.
Ein noch deutlicheres Indiz ist die Beratung der Nationalgarde durch die Mission. Die Nationalgarde untersteht zwar formal dem Innenministerium, ist aber eine ausgesprochen militärische Truppe. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (18/2327) nicht einmal ausschließen wollen, dass sich das Beratungsangebot der deutschen Polizisten auch auf konkrete militärische Einsätze der Nationalgarde im Krieg in der Ostukraine bezieht. Hinzu kommt, dass in einem „Reformpapier“ des ukrainischen Innenministeriums vom November 2014 ausdrücklich festgelegt wird, dass die Nationalgarde und der Grenzschutz – der ebenfalls von der EU-Mission beraten wird – den „Status paramilitärischer Formationen“ erhalten sollen. Dass deutsche Polizisten dabei mithelfen sollten, Paramilitärs zu schaffen, lehnt DIE LINKE eindeutig ab.
Hinzu kommt die Rolle faschistischer Kräfte in der ukrainischen Politik. Zwar ist bei den Parlamentswahlen im Herbst 2014 die faschistische Swoboda-Partei aus dem Parlament und damit aus der Regierung geflogen.
Andererseits hat die „Radikale Partei“ von Oleg Ljaschko mit einem radikal-nationalistischen Programm die Swoboda beerbt, 7 Prozent erhalten und, was weit schwerer wiegt, ist wiederum Teil der Regierungskoalition.
Insgesamt ist DIE LINKE hochgradig darüber besorgt, dass es eine nicht zu übersehende Zusammenarbeit der ukrainischen Regierung mit faschistischen und extrem-nationalistischen Kräften bzw. deren Anführern gibt. So genießen etliche faschistische Politiker und Chefs faschistischer Milizen die offene Unterstützung der angeblich „prowestlichen“ Regierungsparteien. So hat etwa Andrij Bilezky mit Unterstützung der Volksfront ein Direktmandat für die Oberste Rada gewonnen. Bilezky ist Kommandant der Asow-Miliz, deren Angehörige offen Hakenkreuze, SS-Runen und die faschistische „Schwarzen Sonne“ tragen. Selbst die Bundesregierung hat diese Miliz als rechtsextrem eingeschätzt. Neben Bilezky sind zwei weitere Asow-Milizionäre in die Rada gelangt, über die Listen des Poroschenko-Blocks und der Vaterlandspartei.
Die Asow-Miliz ist nicht das einzige rechtsextreme Bataillon. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat in einer Ausarbeitung vor wenigen Wochen auch bei den Bataillonen Aidar, Dnipro und Donbass alarmierende Hinweis auf eine rechtsextreme Ideologie konstatiert.
Man kann sich vorstellen, wie diese Milizen im Osten der Ukraine wüten. Amnesty international, die OSZE und der UNO-Menschenrechtskommissar haben bestürzende Hinweise über Menschenrechtsverbrechen dieser Kräfte zusammengetragen: Plünderei, widerrechtliche Festnahmen, Behinderung von Lebensmittelieferung, Misshandlungen usw.
Die ukrainische Regierung unternimmt aber keinerlei Anstrengung, diese Milizen aufzulösen und ihre Verbrechen zu untersuchen. Das Asow-Bataillon ist vielmehr offiziell in die Nationalgarde integriert worden. Man muss sich das mal vorstellen: Würden wir es in Deutschland hinnehmen, wenn eine rechtsextreme Wehrsportgruppe formell in die Bundeswehr aufgenommen würde?
Die Bevölkerung in der Ostukraine wird sich in ihrer Ablehnung der Kiewer Regierung noch bestärkt fühlen, wenn sie sehen muss, dass faschistische Bataillone für ihre Verbrechen nicht bestraft, sondern von der Regierung sogar noch legalisiert werden.
Wie ich schon erwähnt habe, gehört die Beratung der Nationalgarde zu den Aufgaben der EU-Mission – damit auch die Beratung des Asow-Bataillons und anderer faschistischer Kräfte. Die Bundesregierung hat auf Anfrage bestätigt, dass es keinerlei Empfehlungen an die deutschen Polizisten gegeben hat, sich der Beratung von Nazimilizen zu enthalten.
Die Verbindungen insbesondere zwischen dem ukrainischen Innenministerium und faschistischen Anführern gehen aber noch weiter. So hat Innenminister Arsen Avakov den Vizekommandanten des Asow-Bataillons, Wadim Trojan, zum Polizeichef der Oblast Kiew ernannt.
Die Polizei der Stadt Kiew hat eine offene Kooperation mit dem „Rechten Sektor“ in einem Kiewer Stadtteil eingegangen, um gegen Drogen und illegales Glücksspiel vorzugehen.
Der Chef des Rechten Sektors, Dmitro Jarosch, ist jetzt offizieller Berater des Generalstabes.
Der frühere Swoboda-Abgeordnete Juri Michaltschischin, der schon mal den Holocaust als „Lichtblick in der europäischen Geschichte“ bezeichnet, arbeitet jetzt beim Geheimdienst, nach eigenen Angaben zuständig für „operative Information“, also Propaganda.
Die ukrainische Regierung arbeitet also offen mit Faschisten zusammen, ja befördert sie in hohe Funktionen in Militär, Polizei und Geheimdienst. Damit ist der ukrainische Sicherheitsapparat in hohem Maße unter faschistischem Einfluss – dass die EU da noch Beihilfe zur weiteren „Optimierung“ dieser Sicherheitskräfte leistet, ist ein ungeheuerlicher Skandal.
Es darf nicht sein, dass deutsche Polizisten Faschisten unterstützen – weder im Inland, noch im Ausland. Deswegen muss die Unterstützung für die EU-Mission sofort eingestellt werden.