Der Name dieses von Landesinnenminister Ralf Jäger am Montag vorgestellten Berichtes täuscht. Denn es handelt sich nicht um einen Tätigkeitsbericht des Inlandsgeheimdienstes, sondern um eine Auflistung tatsächlicher und vermeintlicher Feinde von Demokratie und Grundgesetz.
Diese werden in dem Verfassungsschutz ganz im Sinne des unwissenschaftlichen, rein ideologisch motivierten Extremismusansatzes aufgeteilt auf: „Rechtsextremismus“, „Linksextremismus“, „Ausländerextremismus“ (wobei hier die faschistischen Grauen Wölfe und Linke aus der Türkei sowie tamilische und kurdische Befreiungsbewegungen allein nach dem Kriterium „nichtdeutsch“ zusammengeworfen werden), „Islamismus“ und die Scientology-Sekte. Was in dem Bericht fehlt, ist die Rolle des Geheimdienstes selber, genauer gesagt seiner V-Leute. „Wenn man schon eine Bericht abliefert, dann sollte er wenigstens vollständig sein“, kritisiert so der innenpolitische Sprecher der NRW-LINKEN, Jasper Prigge, zu Recht in einer Presseerklärung. „Das Innenministerium muss endlich benennen, in welchem Umfang staatliche Stellen für rechte Umtriebe mitverantwortlich sind, beispielsweise ob vom NRW-Verfassungsschutz geführte und gegebenenfalls sogar bezahlte V-Leute in der rechten Szene an Straftaten beteiligt waren. Die Verstrickung von Nazis und Staat gefährdet die Demokratie, insofern wäre der Verfassungsschutzbericht ein geeigneter Ort“, dies offenzulegen, so Prigge. Abwegig ist dieser Vorwurf keineswegs, schließlich gibt es zahllose Beispiele aus den letzten Jahrzehnten, in der die Spitzel des Geheimdienstes Straftaten begangen haben einschließlich Waffenhandels und Beteiligung an Brandanschlägen. Auch der NSU konnte trotz – oder wie einige meinen wegen! – etlicher Spitzel in seinem Umfeld ungestört weiter morden. Wie im ersten, deswegen gescheiterten NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2002 deutlich wurde, hatte der NRW-Verfassungsschutz in dem Bundesland sogar die Nazipartei NPD durch seine V-Leute und deren Agentenlohn zu einem gehörigen Teil mitaufgebaut und über Jahrzehnte mitgesteuert. Eine nun von der Bundesregierung geplante Sonderregelung für V-Leute soll garantieren, dass diese auch zukünftig straffrei sogenannte szenetypische Straftaten begehen dürfen.
Erfreulich ausführlich widmet sich der Verfassungsschutzbericht der Nazipartei DIE RECHTE in NRW, die zum Auffangbecken für die Anhänger der vor einigen Jahren verbotenen militanten Nazikameradschaften geworden ist. Die Rechte zähle in NRW 280 Mitglieder und propagiere „offen den Rassismus im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie und verbindet ihn mit einem völkischen Nationalismus“ zeigt der Verfassungsschutzbericht die menschenverachtende Ideologie der Partei an zahlreichen Beispielen auf. Von dieser Partei gehe eine „konkrete Bedrohung für Menschen aus“, da hier die „Ideologen und Strippenzieher“ des Rechtsextremismus in NRW zu verorten seien, die gegen Muslime, Migranten und Flüchtlinge hetzten, erklärte Jäger bei Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes. Es gebe massive Indizien dafür, dass die Führungskader dieser Kameradschaften „unter das Parteienprivileg“ geschlüpft seien und die RECHTE damit eine illegale Nachfolgeorganisation darstelle erklärte Jäger. Genau das hatte schon voriges Jahr ein im Auftrag der LINKEN. von Rechtsanwalt Gerhard Militzer ausgefertigtes Gutachten aufgezeigt. Jäger will nun mit einem eigenen Rechtsgutachten den geeigneten Weg für ein Verbot der Rechte klären. Zweifel darüber, wie ernst es der NRW-Innenminister tatsächlich damit meint, bleiben dabei bestehen. So hatte der Dortmunder CDU-Abgeordnete Thorsten Hoffmann bereits im März drei diesbezügliche Fragen an das Innenministerium gesandt. Wissen wollte der CDU-Abgeordnete, wie der Innenminister das von der Linkspartei vorgebrachte, Rechtsgutachten einschätze, welche Position er bezüglich eines Verbots der RECHTEN einnehme und welche konkreten Schritte er in dieser Sache bisher unternommen habe. Eine Antwort auf diese Fragen blieben bislang aus, so dass auch der CDU-Abgeordnete Hoffmann beklagt: „In der Zeitung gibt Jäger gerne den Vorkämpfer gegen rechts, in der Wirklichkeit kommt davon wenig an.“ Das vom Innenminister mehrfach angekündigte harte Vorgehen gegen die Neonaziszene in ihrer Hochburg Dortmund ist in der Tat bislang nicht spürbar.
Im Sinne des Extremismusansatzes finden die Schläger und fremdenfeindlichen Hetzer von DIE RECHTE und NPD im Verfassungsschutzbericht scheinbar ihr linkes Pendant in DKP, MLPD und Teilen der LINKEN. Gewalttaten, wie den Neonazis, wird den organisierten Sozialisten und Kommunisten zwar nicht vorgeworfen, wohl aber ihr Ziel der „Utopie einer klassenlosen Ordnung und eines herrschaftsfreien Zusammenlebens“, dass sich nicht mit dem Grundgesetz zu vertragen scheint. Dass damit zweifellos ein Mehr an Demokratie und Gleichheit gemeint ist während Rassisten und Neonazis demokratische und soziale Rechte beseitigen wollen, ficht die krude Gleichsetzung von rechts und links, von Faschisten und Antifaschisten durch den Verfassungsschutz nicht an. Zwar wird in NRW nicht die Gesamtpartei DIE LINKE. überwacht, wohl aber unter Extremismusverdacht gestellte innerparteiliche Zusammenschlüsse wie die Antikapitalistische Linke (AKL), der mehrere NRW-Abgeordnete nahestehen, die Kommunistische Plattform und die Linksjugend [´Solid]. Bei der AKL fehlt den Schnüfflern ein „klares Bekenntnis zum demokratischen Verfassungsstaat“. Schon diese Feststellung mutet eigentümlich an, denn zumindest die offizielle Aufgabe des Verfassungsschutzes sollte nicht die Suche nach fehlenden Bekenntnissen sein, sondern nach Gruppierungen, die offen gegen die Demokratie kämpfen. Doch geradezu absurd erscheint die Begründung im Falle der AKL, wenn als Beleg für deren angeblich „zwiespältiges Verhältnis zum demokratischen Verfassungsstaat“, das folgende Zitat aus einer Wahlanalyse des BundessprecherInnen-Rat am 15. September 2014 zur geringen Wahlbeteiligung angeführt wird: „Das Personal der herrschenden Klasse, ihre Spitzenleute wie die Parteien werden verachtet. Und wie immer spiegelt die Wahlbeteiligung die sozialen Verhältnisse wider. Die Wahlen werden immer mehr zu einer Veranstaltung der materiell wie kulturell Besserverdienenden.“ Unbefangen ließe sich hier auch die Sorge um die nachlassende Rolle von Wahlen als grundlegendem demokratischem Mittel herauslesen. Doch für den Verfassungsschutz gilt, was er selber der AKL als „gewichtigen Anhaltspunkt für eine extremistische Ausrichtung“ ankreidet – nämlich ein „ausgeprägtes Freund-Feind-Denken“.
Um festzustellen, dass von Naziparteien wie der RECHTEN eine massive Gefahr ausgeht, braucht es keinen Verfassungsschutz. Und mit seinen Spitzeln in der Naziszene – kriminellen und staatlich subventionierten Hetzern – geht von dem demokratisch nicht kontrollierbaren Geheimdienst selber eine Gefahr für die Demokratie aus. DIE LINKE. in NRW fordert daher, dem Beispiel des Bundeslandes Thüringen zu folgen und grundsätzlich auf den V-Leute-Einsatz zu verzichten –als Schritt zur Abschaffung des Geheimdienstes selber.
Erschien in Linksletter DIE LINKE. NRW