Rede: Die westliche Politik hat selber diese terroristischen Monster gefüttert!

Rede zur Aktuellen Stunde der 115. Sitzung des 18. Deutschen Bundestages „Die Sicherheitslage nach den jüngsten islamistischen Anschlägen“

 

Ulla Jelpke (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, natürlich können wir nicht ausschließen, dass es auch in Deutschland zu Anschlägen kommt, wobei zum Glück zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte dafür vorliegen.

(Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): „Keine Anhaltspunkte“? Wovon träumen Sie denn nachts?)

Doch Sie haben eben erwähnt, was vor allen Dingen in den letzten Wochen und Tagen geschehen ist. In Frankreich zum Beispiel massakrierte ein Islamist seinen Chef und posierte hinterher mit dessen abgeschlagenem Kopf für ein Foto. In Tunesien erschoss ein Attentäter 38 Urlauber am Strand. In Kuwait starben Dutzende Betende bei einem Anschlag vor einer schiitische Moschee. Im Jemen wurden zahlreiche Schiiten von einer Autobombe getötet. In der kurdischen Stadt Kobane massakrierten aus der Türkei eingedrungene Schlächter des sogenannten Islamischen Staates über 200 Zivilisten. Erst gestern starben in Ägypten wieder über 100 Menschen bei Feuergefechten zwischen IS-Kämpfern und der Polizei.

Diese Aufzählung macht vor allem eines deutlich: Die meisten Opfer des sogenannten islamischen Terrors sind selbst Muslime. Es sind die Menschen im Nahen Osten, die heute den größten Blutzoll zahlen müssen. Deswegen kann es keine Frage sein: Wachsamkeit ist geboten, auch in Europa. Aber, Herr Minister, ich glaube, man muss versuchen, auch die Ursachen des Hasses zu thematisieren.

Meine Damen und Herren, diese Woche jährt sich die Ausrufung des IS-Kalifats im Irak und in Syrien. Doch das Terrorkalifat ist nicht vom Himmel gefallen. Der Boden dafür wurde durch den völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak bereitet.

Mit jüngst bekannt gewordenen Geheimpapieren des Pentagons wird bewiesen: Schon 2012 rechneten die USA mit der Gründung eines solchen Kalifats im Norden Syriens. Ein solcher Dschihadisten-Staat sei jedoch im Interesse der eigenen Verbündeten, um die syrische Regierung zu schwächen – so heißt es in diesem Papier. Im Klartext bedeutet das: Der Aufstieg des IS wurde sehenden Auges von den USA und ihren Verbündeten nicht nur hingenommen, er wurde sogar maßgeblich von diesen befördert.

Der wichtigste Geburtshelfer des IS-Terrorkalifats ist ohne Zweifel die Türkei. Die AKP-Regierung hielt ihre Grenze nach Syrien für Zehntausende von Dschihadisten aus aller Welt offen. Sie stellte ihnen Trainingscamps und Krankenhäuser zur Verfügung, wo sie zusammengeflickt wurden. Sie lieferte ihnen tonnenweise Waffen und Material. Türkische Medien haben diese Tatsachen vielfach nachweisen können, und trotzdem will die Bundesregierung das einfach nicht wahrhaben. Sie rühmt sich der Sicherheitszusammenarbeit mit der Türkei.

Herr Minister, ich fordere Sie auf: Reden Sie endlich Klartext mit Erdogan, damit die Türkei ihre Grenzen für die Dschihadisten dichtmacht und sie stattdessen für den Wiederaufbau von Kobane öffnet. Das wäre eine nachhaltige Terrorbekämpfung.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Golfstaaten, insbesondere Saudi-Arabien, gehören zu den Hauptsponsoren des religiös motivierten Terrors gegen vermeintlich Ungläubige. Doch die Bundesregierung versucht, uns diesen Paten des Terrors als Partner in der Terrorbekämpfung zu verkaufen. Das ist doch absurd. Diese Kuschelei mit den saudischen Henkern muss endlich ein Ende haben!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, von Afghanistan bis Syrien gilt: Die westliche Politik selbst hat diese terroristischen Monster gefüttert, die jetzt drohen, ihre Kinder als Schläferzellen nach Europa zu schicken. Das bedeutet: Alle Maßnahmen gegen den islamistischen Terrorismus in Deutschland werden ins Leere laufen, solange Gelder fließen und die Hintermänner im Nahen Osten weiter freie Hand erhalten.

Diese Kriege in der Region werden noch immer mit Waffenlieferungen angeheizt. Egal, wer die Empfänger sind: Am Ende landen diese Waffen immer wieder bei den entschlossensten und brutalsten Gruppierungen wie sogenannter Islamischer Staat und al-Qaida. Das hat die Geschichte oft genug gezeigt. Um nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen, müssen alle Löcher gestopft werden, durch die Rüstungsgüter in diese Region fließen, egal von welchem Land aus.

Die Konsequenz kann unseres Erachtens nur lauten: Schluss mit allen Waffenlieferungen in den Nahen Osten! Setzen Sie endlich das Rüstungsexportverbot durch! Denn ich denke, wenn man die Löcher stopft, hat man auch eine Chance. So wird weiter aufgerüstet und weiter gekämpft.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)