Hunderttausende Personen sind und bleiben in »Staatsschutz«-Dateien gespeichert
Von Ulla Jelpke (erschienen in der junge Welt am 10.08.2015)Die Speicherpraxis von Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz ist schon mehrfach von den Bundesdatenschutzbeauftragten moniert worden. Passiert ist wenig: Die Zahl von Personen, die in sogenannten Staatsschutzdateien des BKA gespeichert werden, ist nahezu konstant geblieben. Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion.
Der frühere Datenschutzbeauftragte Peter Schaar hatte bereits vor drei Jahren in einem Prüfbericht, der erst vor wenigen Wochen veröffentlicht wurde, massive Kritik am BKA geübt, das zahlreiche unbescholtene Personen zu Unrecht als Linksextremisten gespeichert habe (siehe jW vom 29. 5. 2015). Schaars Nachfolgerin Andrea Voßhoff wiederum wirft in ihrem jüngsten Tätigkeitsbericht dem Verfassungsschutz vor, er habe »eine Vielzahl von Personen gespeichert, die bei einer Anti-Atomkraft-Demonstration lediglich ihr Grundrecht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit ausgeübt hatten«. Darauf angesprochen, habe der Geheimdienst die Speicherung der Demonstranten unter dem Begriff »Linksextremisten« als rechtswidrig eingeräumt.
Als Konsequenz auf Schaars Kritik hatte die Bundesregierung eine Revision von insgesamt 18 Staatsschutz-Dateien des BKA angekündigt. Das Ergebnis ist bescheiden. Gerade einmal drei Dateien wurden tatsächlich »bereinigt«, wie die Bundesregierung nun mitteilte. Bezüglich der Datei »Internationaler Terrorismus« hat sich das auch gelohnt: Von 8.170 sogenannten Person/Ereignis-Beziehungen wurden bislang 6.815 gelöscht, weil sie als rechtswidrig erkannt wurden – also über 80 Prozent. Die Prüfung dauert noch an.
Der Inlandsgeheimdienst hat sich die Mühe einer Datei-Bereinigung gar nicht erst gemacht; keine einzige Datei wurde auf rechtswidrige Einträge überprüft. Angaben zur Anzahl der Dateien und zur Gesamtzahl gespeicherter Personen – Schätzungen gehen in die Hunderttausende – hat die Bundesregierung als »geheim« eingestuft, angeblich aus Gründen des Staatswohls.
Die Aktivisten von Netzpolitik.org haben allerdings einen Teil der unter Verschluss gestellten Dokumente veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass BKA und Verfassungsschutz eine gemeinsame Datei aller ihnen bekannten »Linksextremisten« eingerichtet haben, um ihre jeweiligen Erkenntnisse anzugleichen – trotz des Gebots der Trennung von Polizei und Geheimdiensten. »Beim Inlandsgeheimdienst wird der Datenschutz besonders klein geschrieben«, erklärte die Linksfraktion dazu in einer Pressemitteilung. Wenn die Dienste mit den Grundrechten der Bürger so lax umgingen, bräuchten sie sich über wachsendes Misstrauen nicht zu wundern.