Artikel: Geheimdienst baut um

Karlsruher Verfassungsgericht entscheidet im März über NPD-Verbot. SPD will Polizeibefugnisse für Verfassungsschutz

Von Ulla Jelpke (erschienen in der jungen Welt am 09.12.2016)
 
Das Bundesverfassungsgericht will im kommenden Jahr über ein Verbot der neofaschistischen NPD entscheiden. Ein entsprechender Antrag des Bundesrates aus dem Jahr 2013 wurde von den Karlsruher Richtern am Montag angenommen. Das Hauptverfahren soll an vorerst drei Terminen vom 1. bis zum 3. März laufen. Die Karlsruher Richter müssen dann entscheiden, ob die NPD in »aggressiv-kämpferischer« Weise gegen die »freiheitliche demokratische Grundordnung« vorgeht, ein »Klima der Angst« verbreitet und eine Wesensverwandtschaft zur historischen Nazipartei NSDAP aufweist. Ein erstes Verbotsverfahren war im Jahr 2003 an einer von den Karlsruher Richtern festgestellten »mangelnden Staatsferne« der Partei gegenüber den Organen der BRD gescheitert, nachdem jeder sechste NPD-Führungsfunktionär sich als V-Mann des Verfassungsschutzes entpuppte.

Die NPD wehre sich gegen ihr drohendes Verbot unter anderem mit dem Argument, sie sei weiterhin nicht frei von staatlichem Einfluss, heißt es auf Zeit online. Der Bundesrat behauptet dagegen, das von ihm vorgelegte Beweismaterial sei diesmal »quellenfrei«. Zudem hatten sich die Länder verpflichtet, die V-Leute ihrer Verfassungsschutzämter innerhalb der NPD rechtzeitig abzuschalten. Zu Verfahrensbeginn muss das Gericht daher sicherstellen, dass etwaiges Belastungsmaterial nicht aus der Feder staatlich bezahlter Neonazihetzer stammt oder der Verfassungsschutz vorab über seine Spitzel Kenntnis von der Prozessstrategie der NPD erhalten hat. Sollten diese Verfahrenshindernisse nicht beseitigt werden können, droht das Verbotsverfahren erneut in einer frühen Phase der Hauptverhandlung zu scheitern. Ob die Schließung dieser langjährigen neofaschistischen Filiale des Verfassungsschutzes überhaupt möglich ist oder sich die NPD abermals als Opfer von Geheimdienstwillkür inszenieren kann, bleibt damit vorerst offen. Für den Verfassungsschutz unliebsame Erkenntnisse über seine Verstrickung in der militanten Neonaziszene könnte zudem die für heute angekündigte Erklärung der mutmaßlichen neofaschistischen Terroristin Beate Zschäpe beim NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht bringen.

 Bisherige Verbindungen des Verfassungsschutzes mit militanten Neofaschisten hindern den innenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Burkhard Lischka nicht daran, in einem der Tageszeitung Die Welt (6.12.2015) vorliegenden Forderungskatalog mehr Überwachungskompetenzen für den Geheimdienst zu fordern. Dazu will Lischka dessen Kräfte sogar mit Polizeibefugnissen ausstatten – ein offener Verstoß gegen das Trennungsgebot, das nach den Erfahrungen mit dem Hitlerfaschismus ausdrücklich als Lehre daraus ins Grundgesetz aufgenommen worden war. Geht es nach Lischka, dann soll der Verfassungsschutz »Gefährder« – also Personen, denen Sicherheitsbehörden einen Anschlag zutrauen – mit Beobachtungsdrohnen überwachen. Als weitere Maßnahmen gegen »fanatische Dschihadisten« schlägt der SPD-Politiker Näherungsverbote an Orte wie Fußballstadien und Weihnachtsmärke, eine auf den Stadtteil der eigenen Wohnung bezogene Residenzpflicht und Mobiltelefon- sowie Bankgeschäftsverbote vor. Es handele sich um langjährige Forderungen der Union, nahm CSU-Innenexperte Stephan Mayer den Vorstoß des Koalitionspartners für weitere Grundrechtseinschränkungen begeistert auf. Innere Sicherheit sei ein »zutiefst sozialdemokratisches Thema«, hatte Parteichef Sigmar Gabriel bereits am Wochenende gegenüber Bild am Sonntag die Linie für den am Donnerstag beginnenden SPD- Bundesparteitag vorgegeben.