»Asylpaket II«: Bundesregierung einigt sich auf Quasiinternierung von Flüchtlingen und Aussetzung des Familiennachzugs.
Von Ulla Jelpke (erschienen in der jungen Welt am 30.01.2016) Nach monatelangem Tauziehen hat sich die Koalition auf weitere Verschärfungen des Asylrechts geeinigt. Das sogenannte Asylpaket II sollte ursprünglich schon im Dezember vorigen Jahres verabschiedet werden, stieß aber im Detail auf Widerstand der SPD. Die ist inzwischen eingeknickt. Das Paket enthält jetzt sogar noch weiter reichende Restriktionen als ursprünglich vorgesehen.Umstritten war vor allem die Frage, ob der Familiennachzug syrischer Flüchtlinge eingeschränkt wird, wie es die Union forderte. Die Einigung sieht nun vor, für sogenannte subsidiär Schutzberechtigte den Familiennachzug für zwei Jahre auszusetzen. Das betrifft Flüchtlinge, die weder als Asylberechtigte anerkannt sind noch unter den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention fallen, bei denen aber die Zustände im Herkunftsland gleichwohl keine Abschiebung zulassen. Die Beamten im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge werden sich künftig verstärktem politischen Druck ausgesetzt sehen, den Schutzstatus syrischer Flüchtlinge entsprechend abzusenken – sie stellten 2015 die größte Flüchtlingsgruppe. Für Frauen und Kinder der Geflüchteten bedeutet das, dass ihnen der einzig sichere Fluchtweg abgeschnitten wird. Sie haben nur die Wahl, entweder im Bürgerkrieg auszuharren oder die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer zu unternehmen.
Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsländern, denen pauschal nur geringe Chancen im Asylverfahren eingeräumt werden, werden in besondere Aufnahmeeinrichtungen gesteckt. Dort soll über ihre Anträge binnen einer Woche entschieden werden, Anfechtungsklagen sollen in zwei Wochen erledigt sein. Solange unterliegen die Flüchtlinge einer strikten Residenzpflicht. Verlassen Sie das Gebiet der zuständigen Ausländerbehörde, werden ihre Sozialleistungen gestrichen, und ihnen droht ein Strafverfahren. Statt das Grundrecht auf Freizügigkeit zu gewähren, werden Flüchtlinge faktisch inhaftiert und ausgehungert. Diese Regelung betrifft zunächst Flüchtlinge aus den Staaten des Westbalkans, die sukzessive als »sicher« definiert wurden, obwohl insbesondere Angehörige der Roma-Minderheiten dort vielfach diskriminiert werden. Die Zahl von Flüchtlingen aus den betroffenen Ländern ging in letzter Zeit drastisch zurück – die Sonderlager werden sich aber dennoch füllen, weil die Koalition jetzt auch Marokko, Algerien und Tunesien auf die Liste angeblich sicherer Herkunftsländer gesetzt hat. Aus Sicht von Menschenrechtsaktivisten ist das abenteuerlich. Amnesty international nannte es »unwahrscheinlich, dass die tatsächliche Menschenrechtssituation in den Maghreb-Staaten bei den Überlegungen überhaupt eine Rolle gespielt hat«.
Gesundheitliche Abschiebungshindernisse werden künftig in sehr viel geringerem Maße anerkannt, und nur, wenn sie zeitnah zur Ausreiseaufforderung mit ärztlichen Attesten belegt werden. Gutachten von Psychologen bei posttraumatischen Belastungsstörungen genügen nicht mehr.
Aus dem Asylpaket gestrichen wurde ausgerechnet die einzige Verbesserung: Frauen und Kinder sollten durch Mindeststandards in Flüchtlingsunterkünften besser vor Übergriffen geschützt werden, etwa durch getrennte Duschen und abschließbare Toiletten. Darauf wird nun nach Informationen des Spiegelverzichtet, was der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, als »grob fahrlässig« bezeichnete. Die Koalition will das Gesetzespaket bis Mitte März durchsetzen.