Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Registrierung und des Datenaustausches zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken (Datenaustauschverbesserungsgesetz) Drucksache 18/7043
Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch die Linke ist der Meinung, dass eine zentrale Datenspeicherung zur Registrierung der Schutzsuchenden notwendig ist und dass wir eine Erleichterung für die Behörden brauchen. Das ist auch die Hoffnung der Länder und Kommunen, die sich von diesem Gesetzesvorhaben vor allen Dingen eine Beschleunigung der Aufnahme und der Unterbringung von schutzsuchenden Flüchtlingen erhoffen.
Wenn mit diesem Gesetzentwurf dieses Versprechen gehalten werden könnte, wären wir, wie gesagt, voll dabei; denn es gibt in der Tat Mehrfachbelastungen bei den Behörden durch doppelte Arbeiten, zum Beispiel durch Doppelregistrierungen. Der Versuch, diese abzuschaffen, sollte sehr genau beobachtet und kontrolliert werden.
Nach EU-Vorgaben müssen Flüchtlinge innerhalb von zwei Wochen nach ihrer Ankunft als Asylantragsteller registriert werden. Davon sind wir gegenwärtig weit entfernt. Ehe Flüchtlinge sich melden können, vergehen oft Wochen. Ehe sie einen Asylantrag stellen können, vergehen im Moment bis zu zehn Monate. Das ist in der Tat viel zu lang. Da muss schnellstens etwas passieren.
Anstatt die Registrierung gleich mit dem Asylverfahrensantrag zu verbinden, wird ein unnötiges, zusätzliches Arbeitsverfahren eingeführt. Für die Flüchtlinge bedeutet das eine nervenaufreibende, kräftezehrende Zeit, in der sie darauf warten, zu erfahren, ob sie überhaupt einen Anspruch haben. Man muss sich das so vorstellen: Zunächst wird der Flüchtling mit einer sogenannten BüMA – das ist Bürokratensprache -, also einer Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender ausgestattet. Diese wird in der Regel von der Polizei, den Ausländerbehörden oder dem BAMF ausgestellt. Damit erfolgt gleichzeitig eine Zuweisung zu einem Bundesland, zu einer Kommune, in der der Flüchtling aufgenommen wird. Jetzt soll ein Ankunftsnachweisausweis ausgegeben werden – er wird heute neu beschlossen -, der im Grunde genommen besagt, dass der Flüchtling zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal geduldet ist. Nach unseren Gesetzen hat man aber nur dann Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, wenn man als Flüchtling wenigstens eine Duldung hat.
Im Übrigen haben Kinder, die sich hier aufhalten, deren Eltern nicht geduldet sind, keinen Zugang zum Schulunterricht oder zu anderen Einrichtungen. Das ist ein Riesenproblem. Ich habe in der letzten Woche unbegleitete minderjährige Flüchtlinge getroffen, die seit zehn Monaten darauf warten, dass sie ihren Asylantrag stellen können. In dieser Zeit können sie nicht zur Schule gehen, hängen also einfach in irgendeiner Einrichtung rum. Sie werden zwar versorgt, aber es ist ein unerträglicher Zustand – dabei geht es auch um das Kinderwohl -, dass diese Kinder nicht zur Schule gehen können, dass sie keine Integrationsleistungen in Anspruch nehmen können.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dadurch besteht natürlich die Gefahr, dass ihre Integration weiter verzögert wird. Wir sagen doch immer, dass die Integration von Anfang an erfolgen muss, weil nur das für die Integration sinnvoll ist, weil nur das auch im Sinne des Schutzsuchenden ist.
Ein Problem gibt es meines Erachtens auch beim Datenschutz. Es werden notwendige Kerndaten erhoben, aber auch eine Unzahl weiterer Daten. Die Augenfarbe, Informationen über den schulischen und den beruflichen Weg usw. werden aufgenommen, obwohl diese Informationen zu diesem Zeitpunkt eigentlich gar nicht nötig sind. Ich sage das vor allen Dingen, weil es eine Datenpflege geben muss, das heißt, die eingegebenen Daten, auf die Kommunen und Länder zugreifen können, müssen stimmen. Diese Datenpflege bedeutet für die Behörden einen enormen Arbeitsaufwand. Darin sehe ich im Augenblick eher eine zusätzliche Belastung als eine Entlastung.
Herr Innenminister, es geht noch ein bisschen weiter. Die Geheimdienste führen nicht nur eine Überprüfung durch. Ganz bestimmten Gruppen, zum Beispiel den Flüchtlingen aus muslimischen Ländern, wird im Grunde genommen kategorisch Misstrauen entgegengebracht. Das wird daran deutlich, dass man ihre Daten weiterhin speichert, dass man weiterhin Zugriff auf die Daten dieser Flüchtlinge hat. Das finden wir überhaupt nicht richtig. Wir halten das für viel zu weitgehend.
(Beifall bei der LINKEN)
In diesem Zusammenhang muss man wirklich kritisieren, dass die Unionsfraktion – auch Sie haben das eben wieder gemacht – hier von vornherein über Asylmissbrauch und über sogenannte terroristische Gefährder spricht, also im Grunde genommen die Debatte über dieses Gesetz mit Parolen vergiftet. In der Flüchtlingspolitik sollten wir einfach einmal sachlicher bleiben und sagen, warum etwas notwendig ist, und es nicht immer gleich ideologisch mit Missbrauchsdebatten verbrämen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Das wäre mal schön!)
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Sie denken bitte an Ihre Redezeit.
Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Ja, ich komme zu meinem letzten Satz. – Sie haben sich hier gerade dafür bedankt, dass das Verfahren sehr schnell läuft. Erst gestern wurde diese Vorlage eingebracht, am Montag hatten wir schon eine Anhörung, und heute verabschieden wir den Gesetzentwurf. Das hängt vor allen Dingen damit zusammen, dass dieser Auftrag schon bei der Druckerei ist und diese darauf wartet, ihn endlich ausführen zu können. Das halte ich für einen Skandal. Anstatt hier ein sauberes Gesetz zu machen, machen wir im Grunde genommen einen Schnellschuss. Ich glaube, damit ist niemandem geholfen.
Ich danke Ihnen. – Wir werden uns im Übrigen enthalten.
(Karsten Möring (CDU/CSU): Das ist Handlungsfähigkeit, Frau Kollegin! – Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Wir tun was! – Gegenruf des Abg. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Deswegen sind auch nur wenige da von euch! Die sind noch erschöpft von der intensiven Beratung!)