Politik der Zermürbung

Die einen sehen sich zu monate- und jahrelangem untätigen Warten verdammt, die anderen mit überstürzten, extrem verkürzten Asylverfahren ohne ausreichende Prüfung ihres Schutzbegehrens konfrontiert: Flüchtlinge leiden im CSU-regierten Freistaat Bayern unter besonderer Entrechtung. Diese Realität zeigte sich mir bei einer Reihe von Besuchen in Flüchtlingsunterkünften in der ersten Februarwoche. Begleitet wurde ich von Bernd Duschner vom Verein »Freundschaft mit Valjevo« aus Pfaffenhofen. Der 1999 während des NATO-Krieges gegen Jugoslawien gegründete Solidaritätsverein mit der serbischen Stadt engagiert sich heute auch für in Bayern lebende Flüchtlinge.

Noterstaufnahme – das klingt nach einem Quatier, in dem Schutzsuchende die ersten Stunden oder Tage nach ihrer Ankunft verbringen müssen. Doch viele der 300 Asylsuchenden leben schon seit mehreren Monaten in dem zur provisorischen Flüchtlingsunterkunft umgebauten Gebäude der Trabrennbahn der oberbayerischen Kreisstadt Pfaffenhofen. Einige sind hier bereits seit sieben Monaten untergebracht. Dabei handelt es sich bei den meisten um Flüchtlinge aus Ländern mit hoher Anerkennungsquote, wie Syrien, Irak und Afghanistan.

Die Halle, in der früher Pferdewetten abgeschlossen wurden, ist nur notdürftig mit Tüchern in einen Männer- und einen Frauenbereich unterteilt. Aufgrund fehlender Belüftung ist es in der Nacht in der Mitte der Halle kaum möglich zu schlafen. Die wenigen Toiletten reichen bei weitem nicht aus, zudem werden sie nur ein- bis zweimal am Tag gereinigt. Privatsphäre ist ein Fremdwort. »Wir gehen mit unseren Kopftüchern ins Bett und stehen so auch wieder auf«, beklagt eine Syrerin den fehlenden Rückzugsraum. Ehepaare, die hier getrennt übernachten müssen, haben keine Möglichkeit, ungestört zusammenzusein. Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer spielen mit dem Nachwuchs. Aber laut UN-Kinderrechtskonvention hätten Mädchen und Jungen Kinder direkt nach Stellung eines Asyl­antrages das Recht auf einen Schulplatz, doch nicht so in Bayern und einigen anderen Bundesländern.

Manche Familien wurden bei der chaotischen Einreise im vergangenen Herbst auseinandergerissen und sind bis heute an verschiedenen Orten untergebracht. Einige sind noch nicht einmal registriert, andere konnten noch keinen Asylantrag stellen. »Die machen uns im Kopf kaputt«, höre ich immer wieder die verzweifelten Rufe der von monatelangem Warten demoralisierten Menschen, die vielfach schon traumatisiert durch Kriege in ihren Heimatländern und eine lebensgefährliche Flucht über das Meer ankamen. Auch eine ehrenamtliche Helferin erzählt uns, dass sie manchmal einfach eine Auszeit braucht, weil die Zustände in der Unterkunft psychisch schwer zu verkraften sind. Viele der von Behörden argwöhnisch beäugten Helfer in den verschiedenen Lagern waren vor Jahren selbst als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen.

Abschieben wie am Fließband

Die langen Wartezeiten sind zermürbend – und sie sind zum großen Teil von der Bürokratie im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hausgemacht. Obwohl lange absehbar war, dass die Zahlen der in Deutschland Schutzsuchenden erheblich nach oben gehen werden, genehmigte die Bundesregierung 2014 nur 300 von 900 für das vergangene Jahr geforderten Stellen im BAMF. 2016 sollen zwar 3.000 neue Stellen geschaffen werden, doch die Mitarbeiter müssen zuerst ausgebildet werden. Seit Jahresbeginn wurde zudem die vereinfachte schriftliche Registrierung von Asylsuchenden aus Ländern mit hoher Schutzquote, wie Syrern oder religiösen Minderheiten aus dem Irak, wieder in individuelle zeit- und personalaufwendige Befragungen umgewandelt. Als Begründungen dafür müssen fehlende Papiere, aber auch die Angst vor eingeschleusten Terroristen herhalten. Gerade Flüchtlinge, die bislang gute Chancen auf eine Anerkennung oder einen Aufenthaltsstatus hatten, müssen jetzt noch länger auf die Bearbeitung ihrer Anträge warten. Denn nach den frauenfeindlichen Übergriffen von »nordafrikanischen Antänzern« in der Kölner Silvesternacht werden jetzt die zuvor wegen geringer Anerkennungsquote hintangestellten Asylanträge von Marokkanern und Algeriern ebenso vorgezogen wie schon diejenigen von Westbalkanflüchtlingen. Dahinter steht die Absicht, diese schnell abzuschieben.

Da die Abschiebehaft nach Auffassung internationaler Gerichte gegen die Menschenrechte verstieß, wird diese Form des Freiheitsentzuges für Menschen, die sich als Asylsuchende keiner Straftat schuldig gemacht haben, kaum noch genutzt. Statt dessen wurden in Bayern sogenannte Rückführungszentren für Flüchtlinge aus Staaten mit geringer Anerkennungsquote gebaut, in denen die Betroffenen nach einem Hauruckverfahren bis zu ihrer Ausreise wohnen müssen. Bei der oberbayerischen Kleinstadt Manching wurde im September letzten Jahres ein solches Lager eröffnet, ein zweites entstand im fränkischen Bamberg. »In Manching sind alle Beteiligten unter einem Dach versammelt. Hier arbeiten Verwaltung, Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie das Verwaltungsgericht Hand in Hand. Denn kurze Wege beschleunigen das Verfahren«, lobte die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) das neue Abschiebezentrum. Die Verfahren sollten dort nur noch wenige Wochen dauern. So solle ein klares Signal in die Herkunftsländer gesendet werden, dass es keinen Sinn ergebe, sich auf den Weg zu machen, betonte Müller gegenüber dem Bayerischen Rundfunk den Abschreckungsgedanken. Der Bayerische Flüchtlingsrat spricht dagegen von einem »Sonderlager mit Abschiebeflughafen«, in dem Flüchtlinge qua Herkunft kaserniert und isoliert würden, um sie wie am Fließband abzuschieben.

Mitten in der Pampa gelegen – nur ein Gewerbegebiet schießt sich an das Gelände der ehemaligen Max-Immelmann-Kaserne an – können die Insassen zwar jederzeit das Lager verlassen, aber sie stehen dann auf dem freien Feld fernab von städtischer oder dörflicher Infrastruktur. Es handelt sich um eine Form von Abschiebehaft im neuen Gewand. Das ist wohl auch der Landesregierung bewusst, denn Öffentlichkeit ist hier ebenso wenig erwünscht wie ehrenamtliches Engagement von Flüchtlingshelfern. So verweigerte sie anfangs auch mir und meiner Abgeordnetenkollegin Eva Bulling-Schröter aus dem nahen Ingolstadt einen Besuchstermin. Erst als wir an die Presse gingen, öffneten sich uns die Kasernentore zum Ortstermin.

»Balkanlager«

Im Volksmund ist vom »Balkanlager« die Rede, denn hier sind derzeit rund 820 Menschen, fast ausschließlich Flüchtlinge aus den Westbalkanstaaten, untergebracht, die nicht die Spur einer Chance auf Asyl haben. Nachdem Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien bereits 2014 zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt worden waren, einigte sich die große Koalition in Berlin im vergangenen Jahr auch auf eine diesbezügliche Einstufung von Albanien, Kosovo und Montenegro. Der Realität entspricht das nicht. Insbesondere Roma leiden in mehreren dieser Länder unter sozialer Ausgrenzung und häufig rassistischer Verfolgung nicht nur durch Neofaschisten, sondern auch durch staatliche Kräfte. Die drückende Armut weiter Teile der Bevölkerung ist eine Folge der insbesondere auf deutschen Druck nach dem Jugoslawien-Krieg der Region aufgezwungenen neoliberalen Wirtschaftspolitik. Als Asylgrund gilt sie allerdings nicht. »Vor allem Minderheitenangehörige aus den Balkanstaaten haben häufig wichtige Schutzgründe«, meint Ben Rau vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Doch diese könnten in den Abschiebezentren, in denen Asylanträge nur noch summarisch geprüft werden, kaum geltend gemacht werden. Das individuelle Asylrecht verkomme so zur Farce.

Die Ablehnungsquote von Flüchtlingen aus den Westbalkanstaaten liegt bei 99 Prozent. Einige wenige erhalten Abschiebungsschutz, weil ihnen eine Ausreise selbst nach Meinung der Behörden nicht zugemutet werden kann. Die Mehrzahl der Abgelehnten im »Balkanlager« reist übrigens »freiwillig« aus. Zwischen September 2015 und Januar 2016 waren das 647 Personen. Die Freiwilligkeit ist allerdings auf die Angst vor der drohenden Wiedereinreisesperre in den Schengen-Raum bei einer Zwangsabschiebung zurückzuführen, wie es das Gesetz seit letztem Jahr vorsieht. Die bislang 265 Abgeschobenen aus dem Manchinger Lager dürfen nun nicht einmal mehr mit einem Touristenvisum zum Verwandtenbesuch nach Deutschland einreisen. Viele hier haben schon mehrfach versucht, Aufenthalt in Deutschland zu erlangen. Oft sprechen mehrere Kinder einer Romafamilie fließend deutsch. Sie gingen hier zur Schule, bis sie mit Eltern und Geschwistern das Land wieder verlassen mussten, weil ihre Duldung nicht verlängert wurde.

Neben der als Rückkehrberatung tätigen Internationalen Organisation für Migration (IOM) ist die Ingolstädter Caritas mit sechs Beratern ständig im Rückführungszentrum tätig. Doch ab März muss die Wohlfahrtsorganisation der katholischen Kirche nach dem Willen des bayerischen Freistaates die Kaserne verlassen. Die Betreuung der Flüchtlinge werde umorganisiert, heißt es von seiten der Behörden. Die Caritas, deren Mitarbeiter mehrere Abschiebungen mit Verweis auf den Gesundheitszustand der Betroffenen verhindern konnten, befürchtet allerdings, dass dann keine unabhängige Anlaufstelle mehr existierten wird und die Flüchtlinge sich nur noch an Behörden oder Polizei wenden können.

Die Sollstärke nach dem noch laufenden Ausbau beträgt 2.900 Plätze in der früheren Max-Immelmann-Kaserne. Allerdings sind die Flüchtlingszahlen aus den Westbalkanstaaten stark rückläufig. So sanken die Asylanträge von Albanern, die im August 2015 noch bundesweit bei über 8.000 lagen, auf 1.760 im Dezember 2015. Die Zahl der Asylantragssteller aus Mazedonien und Serbien halbierte sich zwischen November und Dezember auf 380 beziehungsweise 297. Vielleicht sollen hier zukünftig nordafrikanische Flüchtlinge bis zu ihrer Ausreise interniert werden, wenn Marokko, Tunesien und Algerien nach den Plänen der großen Koalition zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Selbst Afghanen, die derzeit noch zu rund 86 Prozent einen Schutzstatus erlangen, sollen nach dem Willen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière schon bald in ihr von Anschlägen erschüttertes Herkunftsland abgeschoben werden. »Die Aufnahmeeinrichtung wird entsprechend den Kapazitäten und im Rahmen der üblichen Fluktuation belegt«, wich die Regierung von Oberbayern gegenüber der Zeitung Donaukurier einer klaren Antwort aus.

Leben in quälender Ungewissheit

Während die im Manchinger Abschiebezentrum kasernierten Balkanflüchtlinge das Land schnell nach ihrer Einreise wieder verlassen müssen, klagen andere Flüchtlinge über zermürbendes Warten. Einer von ihnen ist Said (Name geändert), der in Pfaffenhofen in einer dezentralen Unterkunft lebt. In Syrien hatte Said nach dem Abitur eine Banklehre begonnen, doch dann musste er vor dem Krieg fliehen. Nach einem Jahr in Deutschland spricht der junge Mann bereits fließend Deutsch. Auch einen Ausbildungsplatz im IT-Bereich hatte er selbsttätig gefunden. Doch die Ausländerbehörde machte ihm – der noch keine Asylanerkennung hat – einen Strich durch die Rechnung. Er bekam keine Erlaubnis zur Ausbildung, statt dessen muss er jetzt jeden Morgen bei einem Großbäcker Brot in Tüten packen. »Ich bin kein Hilfsarbeiter, ich habe Qualifikationen und will weiterkommen«, klagt Said über fehlende Perspektiven in Deutschland. Die Integration hochmotivierter Zuwanderer wird so durch Schikanen der Behörden behindert.

Viele Flüchtlinge leben nach Jahren noch ohne Aufenthaltstitel. Es sind beispielsweise Personen, deren Asylantrag zwar abgelehnt wurde, deren vermeintliche Herkunftsländer sie aber aufgrund fehlender Identitätsnachweise nicht aufnehmen wollen. Dies betrifft insbesondere afrikanische Flüchtlinge. In Neuburg an der Donau wohnen viele solcher »Altfälle« – also Menschen, die lediglich über eine immer wieder verlängerte Duldung verfügen – bereits seit zehn, einige sogar seit 13 Jahren in einem Sammellager. Drei Personen müssen sich ein 21 Quadratmeter kleines Zimmer in der früheren Lassigny-Kaserne teilen. Nur einige wohnen in etwas komfortableren Unterkünften in einem Familienhaus. Doch die meisten hier haben keine Angehörigen in Deutschland, denn für das Recht auf deren Nachzug müssten sie erst einmal einen amtlichen Status erlangen. Mit der Duldung verbunden ist für viele zudem ein Arbeitsverbot. Die Absicht der Behörden, die Betroffenen durch bürokratische Verfahren zu zermürben und zur Untätigkeit zu verdammen, um sie irgendwie außer Landes zu drängen, ist deutlich erkennbar.

In Bayern werden Flüchtlinge nach einem bürokratischen Schlüssel auf die einzelnen Orte im Landkreis verteilt. Auf die dortigen Gegebenheiten wird dabei keine Rücksicht genommen. Auf diese Weise landeten 35 Flüchtlinge aus Afghanistan und verschiedenen afrikanischen Staaten in einem zum Wohnheim umgebauten Gasthof in Schweitenkirchen. Nur zweimal am Tag wird die zwölf Kilometer von Pfaffenhofen entfernt liegende knapp 5.000 Einwohner große Gemeinde von einem Bus angefahren. Für mehrere hier lebende Kongolesinnen, deren Duldung seit vier Jahren immer wieder verlängert wurde, ist es das reinste Gefängnis. Sie sprechen nur französisch und haben es daher besonders schwer, in der kleinen ländlichen Gemeinde Kontakte aufzubauen, Deutsch zu lernen und Arbeit zu finden. Zwei von ihnen waren in ihrer Heimat Opfer schwerster Verbrechen. Sie sind offenkundig völlig traumatisiert und bräuchten intensivste Betreuung sowie einen Umzug in die Stadt. »Wir sehen überhaupt keine Perspektive«, klagen die Frauen. »In unsere Länder können wir nicht zurück, und hier erhalten wir kein Aufenthaltsrecht.«

Nur Flüchtlinge, die bei ihrer Ankunft jünger als 22 Jahre waren, erhielten einen Berufsschulplatz und damit die Chance, Deutsch zu erlernen und Freunde zu finden. Die übrigen haben ohne einen Status kein Anrecht auf Integrationskurse. Jobs können sie hier nur bei Fastfood- oder Bauunternehmen finden – mit extrem schlechter Bezahlung. Von ihrem kargen Lohn müssen sie 194 Euro im Monat für ihren Schlafplatz im Zwei-Personen-Zimmer abliefern. Gerade die ständige Angst vor einer Abschiebung macht die Flüchtlinge klein. Sie akzeptieren jede Arbeit, um möglichst keine staatlichen Gelder annehmen zu müssen, in dem Irrglauben, so vor Abschiebungen sicher zu sein.

Zwar gibt es bei Teilen der bislang kaum mit Migranten in Kontakt gekommenen Bevölkerung der ländlichen Gemeinde Vorbehalte gegenüber den Flüchtlingen. Doch andererseits konnte Bernd Duschner vom Pfaffenhofener Solidaritätsverein in Schweitenkirchen zahlreiche Unterschriften gegen drohende Abschiebungen sammeln, die Listen wurden sogar im Rathaus ausgelegt. Auch der örtliche Bürgermeister und der bundesweit bekannte Budo-Trainer Herbert Possenriede sprachen sich so öffentlich gegen die Abschiebung einer Kongolesin aus. Die Frau bekam zwar eine Einzelgenehmigung, um eine Ausbildung als Altenpflegerin zu machen. Da Alleinstehende aber erst nach acht Jahren Aufenthalt in der Bundesrepublik ein Bleiberecht erhalten können, schwebt über ihr weiterhin das Damoklesschwert der erzwungenen Ausreise.

Mit bayerischer Handschrift

Auf dem Balkan sollte sich nach dem Willen der bayerischen Landesregierung herumsprechen, dass es sich nicht lohne, nach Deutschland zu kommen. »Um Asylmissbrauch zu verhindern«, hatte Sozialministerin Emilia Müller bei Eröffnung des Manchinger Abschiebezentrums im Bayerischen Rundfunk erklärt, »müssen die Leistungen für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten gekürzt werden. Ferner müssen wir den Kreis der sicheren Herkunftsstaaten ausweiten.« Diese Forderungen haben nun Eingang in das von der großen Koalition vereinbarte »Asylpaket II« gefunden, dessen Verabschiedung durch den Bundestag unmittelbar bevorsteht. Anstatt Geflüchtete gleich in sogenannten Transit­zonen an der Grenze zu stoppen, wie es die CSU forderte, sollen nun drei weitere »besondere Aufnahmeeinrichtungen« nach dem Vorbild der Manchinger und Bamberger Abschiebelager geschaffen werden, in denen für Flüchtlinge aus vermeintlich sicheren Herkunftsstaaten kurzer Prozess gemacht wird. Innerhalb einer Woche soll über das Asylbegehren entschieden werden, Eilrechtsschutz ist innerhalb einer weiteren Woche möglich. Auch Flüchtlinge mit Wiedereinreisesperre, einem Folgeantrag oder solche »ohne Mitwirkungsbereitschaft« – also beispielsweise ohne Identitätspapiere – sollen gleich in diese Lager kommen.

Verschärft werden soll die gegen den Grundsatz der Freizügigkeit verstoßende Residenzpflicht, die Asylsuchende an einen Landkreis fesselt. Schon bei einem einmaligen Verstoß, etwa weil ein Asylbewerber ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde zum Verwandtenbesuch in eine Nachbarstadt gefahren ist, soll ihm ein »Nichtbetreiben des Asylverfahrens« unterstellt werden. Neben strafrechtlichen Konsequenzen droht die Einstellung des Verfahrens. Nur ein einziges Mal soll der Betroffene ohne Verfahrensnachteile eine Wiederaufnahme beantragen können. Die Bundesregierung spricht von einem »Warncharakter«, mit dem »einmaliges Fehlverhalten geheilt werden soll«. Bei einem weiteren Residenzpflichtverstoß gilt der Asylantrag als zurückgenommen, mit der Konsequenz der Ausreisepflicht und Abschiebung. Eine solch unverhältnismäßige Sanktionsregelung ist mit dem Grundrecht auf Asyl und rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar.

Erneut tastet die Bundesregierung das soziokulturelle Existenzminimum an, indem sie Flüchtlingen mit »ungesichertem Aufenthaltsstatus« die ihnen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustehenden, ohnehin äußerst knapp bemessenen Geldleistungen weiter kürzt. Zukünftig soll zudem grundsätzlich für alle Geflüchteten die gesetzliche Vermutung gelten, dass keine gesundheitlichen Abschiebehindernisse vorliegen. Der betroffene Flüchtling muss innerhalb eines engen zeitlichen Rahmens den Gegenbeweis durch ein qualifiziertes ärztliches Attest vorlegen – gerade in den Sonderlagern nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Außerdem sollen Gutachten von Psychologen nicht mehr akzeptiert und posttraumatische Belastungsstörungen nicht mehr als einer Abschiebung entgegenstehende Erkrankungen gewertet werden. »Bei Zweifeln« kann die Ausländerbehörde zudem eine Untersuchung durch den Amtsarzt anordnen, um gegen ein zuvor ärztlich attestiertes Abschiebehindernis vorzugehen. Der im vergangenen Jahr gerade erst verbesserte Familiennachzug für sogenannte subsidiär Schutzberechtigte – also etwa Bürgerkriegsflüchtlinge ohne Asyl-, aber mit Schutzstatus – soll nun wieder für zwei Jahre ausgesetzt werden. Dies ist ein Verstoß gegen das sowohl vom Grundgesetz wie auch der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Recht auf Familienzusammenleben, zudem wird damit die Integration der bereits hier lebenden Flüchtlinge behindert, und deren Angehörige werden auf lebensgefährliche illegale Fluchtwege gezwungen.

Zusätzlich soll der Kreis der sicheren Herkunftsstaaten um Algerien, Marokko und Tunesien erweitert werden. Dass Marokko seine völkerrechtswidrige Kolonialherrschaft über die Westsahara mit blutiger Repression durchsetzt, fällt dabei ebenso unter den Tisch wie etwa die Verfolgung und Diskriminierung der Kabylen in Algerien.

Nach dem Willen der Bundesregierung soll die weitere Demontage des Grundrechts auf Asyl im Schnelltempo durchgezogen werden. Die erste Lesung steht am heutigen Freitag im Bundestag an, verabschiedet werden soll es bereits am 25.2. Einen Tag später beschäftigt sich der Bundesrat damit. In Wahrheit ist das »Asylpaket II« ein Asylrechtsabbaupaket. Ehrlicher waren da Mitglieder einer Karnevalstruppe aus dem oberbayerischen Reichertshausen im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm. Einen als Wehrmachts­panzer dekorierten Faschingswagen hatten sie mit »Ilmtaler Asylabwehr« und »Asylpaket III« beschriftet.

Ulla Jelpke ist innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke und deren Obfrau im Bundestagsinnenausschuss.