Rede zu TOP 13 der 161. Sitzung des 18. Deutschen Bundestages – Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 28. April 2015 zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit (Drucksache 18/7455)
Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung legt uns heute einen Vertrag über die Ausweitung der polizeilichen Zusammenarbeit mit der tschechischen Republik vor. Es soll, so heißt es darin, vor allem darum gehen, die „grenzüberschreitende Kriminalität“ in den Bereichen Drogenhandel und Eigentumsdelikten zu bekämpfen.
Um es gleich ganz klar zu sagen: Es gibt in diesem Vertrag vieles, dem wir zustimmen können. Aber wir haben auch einige Kritikpunkte. Zunächst möchte ich klarstellen: Es darf gar keine Frage sein, dass Polizeibeamte, die einen verdächtigen Straftäter verfolgen, an der Landesgrenze anhalten sollen. Vielmehr müssen Sie den Verdächtigen weiterverfolgen bzw. vorläufig festhalten können.
(Beifall des Abg. Jörn Wunderlich (DIE LINKE))
Deswegen halten auch wir gemeinsame Polizeistreifen beider Staaten prinzipiell für sinnvoll.
Einige Punkte des Vertrages sehen wir, wie gesagt, kritisch. Beispielsweise soll die intensive Zusammenarbeit ausdrücklich auch der Bekämpfung von Schleusungsdelikten und der unerlaubten Einreise dienen. Die unerlaubte Einreise – das ist ein ganz besonderer Punkt, meine Damen und Herren – ist ein Delikt, das vor allem Flüchtlinge kriminalisiert. Sie kommen zwangsläufig fast immer ohne gültige Einreisedokumente hierher. Allerdings müssen die Ermittlungsverfahren, die dann eingeleitet werden, nach internationalem Recht wieder fallen gelassen werden, wenn sie einen Asylantrag gestellt haben. 99 Prozent dieser Fälle gehen so aus, dass die Verfahren eingestellt werden.
Die Polizei hat damit hunderttausendfach unsinnige Schreibarbeit, weswegen selbst die Polizeigewerkschaft GdP bereits mehrfach gefordert hat, dass dieser Straftatbestand abgeschafft werden soll, und wir meinen, völlig zu Recht.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In einem Vertrag über moderne Formen der polizeilichen Zusammenarbeit hat dieser Ladenhüter des Abschottungsregimes unseres Erachtens nichts zu suchen.
Außerdem sieht der Vertrag vor, dass den Polizeibeamten des jeweiligen Nachbarlandes hoheitliche Befugnisse übertragen werden können, und zwar nicht nur im unmittelbaren Grenzgebiet, sondern überall. Dabei soll jeweils – eins zu eins, wie eben gesagt wurde – ein einheimischer Polizist zugegen sein, aber nur „in der Regel“, wie es im Vertrag heißt. So, wie es dort formuliert ist, ist das für uns eine zu starke Einschränkung. Das bedeutet, dass in Einzelfällen ein deutscher Polizist auch zum Beispiel in Prag aktiv werden kann. Auch bei Großdemonstrationen könnte möglicherweise ein Anlass für solche Polizeieinsätze gegeben sein.
Ich weiß natürlich – das ist auch klar -, dass es bisher kaum Beispiele gibt; wir haben keine praktische Erfahrung. So kommt es zum Beispiel höchst selten vor, dass ausländische Polizisten bei Demonstrationen in Deutschland eingesetzt werden. Ich finde, das ist auch gut so. Ich sehe keinen Grund, für solche Aktionen die Türen zu öffnen. Mir konnte bisher auch niemand erklären, warum es möglich sein soll, dass die tschechische Polizei hier beispielsweise bei Großdemonstrationen eingesetzt wird.
Wie solche Einsätze kontrolliert werden sollen, ist überhaupt nicht geklärt. Wie sollen wir denn bundespolizeiliche Maßnahmen, die in Prag unter Verantwortung der tschechischen Polizei geschehen, aufklären? Wie soll die Öffentlichkeit genaue Kenntnisse von Maßnahmen der tschechischen Polizei in Deutschland erlangen? Wie soll gewährleistet werden, dass deutsche und tschechische Polizisten sich das Polizeirecht des jeweiligen Nachbarlandes aneignen? Solche Fragen hat die Bundesregierung bisher nicht beantwortet. Es geht aber um ein Rechtshilfeübereinkommen, und da erwarte ich, dass auch solche Fragen beantwortet werden.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Öffentlichkeit und Parlamente müssen die Polizei kontrollieren können. Wo diese Kontrolle fehlt oder unpräzise wird, wird nicht Sicherheit geschaffen, sondern Unsicherheit und im äußersten Falle auch Unrecht.
Vizepräsident Peter Hintze:
Frau Kollegin.
Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Deswegen werden wir den Gesetzentwurf heute ablehnen.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)