Deutlicher Anstieg von Übergriffen – Islamfeindliche Straftaten sollen gesondert erfasst werden
Von Ulla JelpkeIn Deutschland werden nicht nur immer öfter Anschläge auf Flüchtlingsheime verübt. Vor dem Hintergrund einer fremdenfeindlich aufgeladenen Asyldebatte werden auch Muslime beziehungsweise ihre Gebetshäuser verstärkt attackiert. Im vierten Quartal des Jahres 2015 gab es 24 Übergriffe auf Moscheen, die von Volksverhetzung bis zu schwerer Brandstiftung reichten. Die allermeisten davon waren rechtsextrem motiviert. Das erklärte die Bundesregierung am 11. Februar auf die kleine Anfrage »Islamfeindlichkeit und antimuslimische Straftaten im vierten Quartal 2015«. Das ist ein massiver Anstieg gegenüber den vorangegangenen drei Quartalen, in denen insgesamt 48 solcher Straftaten gegen muslimische Gotteshäuser registriert wurden.
Im laufenden Jahr scheint sich dieser beunruhigende Trend fortzusetzen. So meldeten Moscheegemeinden allein für die ersten drei Januarwochen rund 80 Übergriffe – mehr als im gesamten Vorjahr. Als Erklärung wird von Islamverbänden die islamfeindliche Hetze nach den massiven frauenfeindlichen Übergriffen von nach bisherigen Erkenntnissen mehrheitlich aus Nordafrika stammenden jungen Männern in der Silvesternacht in Köln ausgemacht. Rechte Gruppierungen wie Pegida und AfD hatten pauschal »den Islam« oder »die Muslime« für die Attacken verantwortlich gemacht. Seit Silvester habe das »Schmäh- und Bedrohungsszenario sprunghaft zugenommen«, beklagten muslimische Verbandsvertreter.
Mitte dieser Woche wurde auf dem Baugelände der geplanten Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde in Leipzig ein totes Schwein gefunden. Auf dem Tierkadaver stand mit roter Farbe »Mutti Merkel«. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen, allerdings wegen »Beleidigung der Bundeskanzlerin«. Fraglich ist daher, ob die Schändung des Moscheegeländes Eingang in die Bundesstatistik islamfeindlicher Vorfälle finden wird.
Zumindest solle jetzt das Oberthema »Hasskriminalität« bei der Erfassung politisch motivierter Kriminalität (PMK) um ein Unterthema »islamfeindlich« erweitert werden, teilte die Bundesregierung in ihrer Antwort mit. Das zuständige Fachgremium bei der Bundesregierung hat dem bereits zugestimmt, nun wird der PMK-Themenfeldkatalog aus dem Jahr 2001 von der Innenministerkonferenz entsprechend erweitert. Damit wird eine seit langem vom Islamverbände, Kriminologen und der Linksfraktion erhobene Forderung erfüllt. »Um die wachsende Islamfeindlichkeit in Teilen der Bevölkerung zu bekämpfen, ist zunächst ein klares Lagebild über das Ausmaß solcher Übergriffe erforderlich«, lobte die Linksfraktion in einer Presseerklärung die Ankündigung der Bundesregierung, islamfeindliche Straftaten künftig ebenso separat zu erfassen, wie dies seit langem schon mit antisemitischen Taten geschieht.
Denn bislang fielen viele islamfeindliche Attacken aus der Statistik, weil sie von den örtlichen Polizeibehörden gar nicht als solche erkannt und gemeldet wurden. Das BKA erfasste bislang zwar politisch motivierten Straftaten mit dem Angriffsziel »Religionsstätte/Moschee«, aber nicht solche, die außerhalb der Moscheegebäude gelegene Räumlichkeiten von Moscheevereinen, Koranschulen und sonstigen islamischen Einrichtungen betrafen. Dagegen taucht in der Aufzählung der Bundesregierung auch ein Brandanschlag auf die Kölner Mevlana-Moschee im November letzten Jahres auf. Dieser Anschlag auf die Moschee des Dachverbandes DITIB, der der Religionsbehörde der türkischen Regierung angeschlossen ist, war allerdings nicht islamfeindlich motiviert. Vielmehr wollten offenbar kurdische Jugendliche mit Molotowcocktails gegen Massaker der türkischen Armee an Kurden protestieren.
Erschien in: junge Welt vom 27.2.2016