Noch bevor im Rahmen des EU-Türkei-Paktes am kommenden Montag die Massenabschiebungen von Schutzsuchenden aus Griechenland in die Türkei losgehen, leistet der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bereits jetzt ganze Arbeit bei der Abwehr von Flüchtlingen. Laut Amnesty International wurden in den vergangenen Monaten Tausende Flüchtlinge aus der Türkei eiskalt und illegal nach Syrien verbracht. Offiziell hätten einige von ihnen im Rahmen der »Eins-für-eins«-Regelung die Chance haben sollen, auf legalem Weg in die EU zu gelangen, nun droht ihnen im kriegsgeplagten Syrien der Tod. Von türkischer Seite aus wird offenbar alles getan, um möglichst viele der syrischen Flüchtlinge, die sich bereits in der Türkei aufhalten, gewaltsam abzuschieben und keine weiteren Schutzsuchenden ins Land zu lassen. Dabei schrecken Erdogans Schergen nicht einmal vor Mord an wehrlosen Männern, Frauen und Kindern zurück. Der Schießbefehl wurde an den türkischen Grenzen längst erteilt. Von 16 Toten – darunter drei Kinder – und einer weit höheren Dunkelziffer ist in diesem Zusammenhang die Rede. Wer behauptet, die Türkei sei ein sicheres Drittland für Flüchtlinge, der macht sich mitschuldig an den Verbrechen gegen Schutzsuchende, die dort geschehen.
Anstatt die Türkei als Handlangerin bei der Abschottung ihrer Außengrenzen einzusetzen, muss die EU darauf drängen, dass dort endlich internationale Schutzstandards für Flüchtlinge eingehalten werden. An erster Stelle käme hier die vorbehaltlose Anerkennung und Umsetzung der Genfer Flüchtlingskonvention. Statt dessen macht sich die EU erpressbar, weil sie in der Abschottungsfrage auf die Türkei angewiesen ist. Ihre Rolle als Türsteherin lässt sich die Türkei teuer bezahlen. Neben Finanzspritzen in Milliardenhöhe, Visaerleichterungen und der Wiederaufnahme der EU-Beitrittsverhandlungen umfasst das Abkommen als ungeschriebene Bedingung auch das Schweigen der EU zu den massiven Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und Erdogans Krieg gegen die Kurden.