Im Eiltempo peitscht die Bundesregierung neue Antiterrorgesetze durch – Geheimdienste werden gestärkt
Von Ulla Jelpke (erschienen in der jungen Welt am 23.06.2016)Mit einem heute im Bundestag zur Abstimmung stehenden Antiterrorpaket sollen die Befugnisse von Geheimdiensten und Bundespolizeibehörden massiv ausgeweitet werden. Das »Gesetz zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus« soll dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) das Anlegen gemeinsamer Personendateien mit ausländischen Nachrichtendiensten ermöglichen. Neben den in der »Counter Terrorism Group« zusammengeschlossenen 30 Geheimdiensten aus EU-Staaten sollen auch die der übrigen NATO-Staaten sowie weiterer Länder wie beispielsweise Israels einbezogen werden können. Voraussetzung hierfür ist eine nicht näher definierte »Einhaltung grundlegender rechtsstaatlicher Prinzipien«. Doch fraglich ist, ob das NATO-Mitglied Türkei – selbst ein Unterstützer dschihadistischer Terrorgruppen – dieses Kriterium erfüllt. Sollte der türkische Geheimdienst Verfassungsschutzerkenntnisse über kurdische und türkische Exilpolitiker erhalten, könnte dies durchaus tödliche Konsequenzen für die Betroffenen nach sich ziehen. So sind französische Ermittlungsbehörden laut Spiegel online mittlerweile davon überzeugt, dass der türkische Geheimdienst in die Morde an drei kurdischen Politikerinnen im Januar 2013 in Paris verwickelt ist.
Bürgerrechtler warnen vor einem Paradigmenwechsel: Wurden Daten mit ausländischen Nachrichtendiensten bislang nur auf Ersuchen ausgetauscht, so sollen sie nun in einem gemeinsamen Datenpool kontinuierlich zur Verfügung stehen. Die nicht hinreichend erfolgte Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Datenschutzkontrolle bei dem Gesetzentwurf verletze das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, beklagt die Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Andrea Voßhoff. Der von der Linksfraktion als Sachverständiger bestellte Strafrechtler Prof. Fredrik Roggan sieht den Gesetzentwurf »offensichtlich nicht im Einklang« mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. In Deutschland mit geheimdienstlichen Mitteln gesammelte Informationen können an ausländische Behörden fließen, die auch polizeiliche Zwangsbefugnisse wahrnehmen, warnt Roggan. Das Deutsche Institut für Menschenrechte befürchtet, dass »Menschen, die in Deutschland ohne konkreten Straftatenverdacht nachrichtendienstlich beobachtet werden«, zukünftig »in anderen Ländern mit polizeilichen Ermittlungen oder administrativen Sanktionen wie Einreise- oder Flugverboten konfrontiert« werden.
Zukünftig soll die Bundespolizei verdeckte Ermittler »zur Gefahrenabwehr« einsetzen können. Diese Maßnahme zielt offenbar vor allem auf die Abwehr von Flüchtlingen. So benannte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) als zentrales Einsatzfeld die »Durchdringung« von Schleusernetzwerken. Schließlich soll anonymes Telefonieren unterbunden werden. Prepaid-Guthaben für Mobiltelefone sollen nur nach Vorlage eines Ausweisdokuments verkauft werden.
Die Regierung peitscht das Gesetz im Schnellverfahren vor der Sommerpause des Bundestages durch – unter Verletzung grundlegender parlamentarischer Prinzipien. Für die öffentliche Anhörung am Montag hatte die Regierung die Chefs von Bundeskriminalamt, Bundespolizei und Verfassungsschutz als »unabhängige Sachverständige« benannt. Alle drei Behörden waren an der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs beratend beteiligt gewesen. Aus Protest gegen diese Farce hatten Linke und Grüne die Anhörung verlassen.