Rede: Wir haben verfassungsrechtliche Bedenken

Rede zu TOP 14 der 180. Sitzung des 18. Deutschen Bundestages –

Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus

Drucksache 18/8702

 

Vizepräsidentin Petra Pau:

Die Kollegin Ulla Jelpke hat für die Fraktion Die Linke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)

Ulla Jelpke (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär, um es gleich klarzustellen: Das, was Sie uns hier gerade vorgeworfen haben, nämlich dass wir den Kampf gegen den Terrorismus verzögern und notwendige Maßnahmen weder diskutieren noch ergreifen wollten, ist eine demagogische Unterstellung und eine wirklich unverschämte Provokation.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann gleich noch etwas mit abhandeln: Wenn das Bundesinnenministerium die Präsidenten von BKA, Bundespolizei und Bundesverfassungsschutz als sogenannte unabhängige Sachverständige zu einer Anhörung zitiert, ist das – das muss man einfach sagen – eine glatte Provokation; denn das sind weisungsgebundene Behördenleiter, die im Gesetzgebungsverfahren beratend dabei waren. Natürlich reden die Ihnen nach dem Munde. Das machen wir einfach nicht mit. Deswegen haben Linke und Grüne die Anhörung verlassen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Bislang durften internationale Geheimdienste nur im Einzelfall und auf Ersuchen untereinander Daten austauschen. Künftig – so will es die Regierung laut Gesetzentwurf – sollen sie einen internationalen Datenpool schaffen, aus dem sie sich nach Gutdünken bedienen können, und zwar automatisiert und ohne Einzelfallprüfung. Das ist wirklich eine bedenkliche Zäsur. Sensible Daten werden von Geheimdiensten künftig auf dem Präsentierteller serviert – auf Kosten des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Dazu sagt die Linke ganz klar und deutlich: Wir haben verfassungsrechtliche Bedenken.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Gesetzentwurf besteht aus lauter Gummiparagrafen. Er sieht den Informationsaustausch über – ich zitiere – „bestimmte Ereignisse oder Personenkreise“ vor, wenn die Erforschung „von erheblichem Sicherheitsinteresse“ ist. Was das konkret heißt, können die beteiligten Geheimdienste laut Gesetzentwurf unter sich vereinbaren. Sie erhalten eine Vollmacht, können grenzenlos vermeintliche Gefährder bespitzeln, was mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nichts zu tun hat. Erst im April gab es ein Urteil, in dem es heißt: „Keinesfalls darf der Staat seine Hand zu Verletzungen der Menschenwürde reichen.“ Genau das wird mit diesem Gesetzentwurf aber gemacht.

Meine Damen und Herren, durch den Aufbau einer globalen Geheimdienstbank kann der Verfassungsschutz an Daten kommen, die er nach eigenem Recht gar nicht erheben dürfte. Betroffene sind neben sogenannten Gefährdern unbescholtene Kontakt- oder Begleitpersonen, in diesem Fall sogar 14- bis 15-Jährige, wenn es nach dem Willen der Regierung geht. Den Betroffenen drohen gravierende Folgen, wenn Daten über sie zum Beispiel beim türkischen Geheimdienst landen. Zwar erklärt die Koalition im Moment, dass die Türkei vorerst nicht mitmachen soll; aber im Gesetzentwurf steht das nicht. Im Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD heißt es sogar, dass bei Partnern aus der NATO „das Vertrauen in die Zuverlässigkeit“ menschlichen Handelns grundsätzlich begründet sei. Ab wann Sie der Meinung sein könnten, dass die Türkei sich rechtsstaatlich verhält, sagen Sie nicht, und wir als Parlamentarier haben keine Kontrollmöglichkeit. Das halten wir für blanken Hohn. Die Türkei führt gegenwärtig Krieg gegen die Kurden; sie unterstützt den „Islamischen Staat“ und schränkt Schritt für Schritt Presse- und Meinungsfreiheit ein. Und Sie wollen möglicherweise irgendwann wieder mit der Türkei kooperieren?

Und was ist mit den USA? Werden in diesem Land, das ein Sonderlager wie Guantánamo unterhält und Tausende Verdächtige durch Killerdrohnen umbringt, die rechtsstaatlichen Prinzipien gewahrt? Wir meinen: Nein.

(Beifall bei der LINKEN)

Was die anderen Punkte des Gesetzentwurfes angeht, muss ich aus Zeitgründen auf die Ausführungen der Datenschutzbeauftragten verweisen, die ich sehr gut finde. Die Bevollmächtigung der Bundespolizei zu Einsätzen mit verdeckten Ermittlern ist vom Grundgesetz schlicht und einfach nicht gedeckt. Die Zweckbindungen bleiben unberührt; so steht es im Gesetzentwurf. Wenn es Ihnen nur darum geht, Schleuserbanden zu bekämpfen, hätte ich einen anderen Vorschlag: Schaffen Sie legale Fluchtwege für Flüchtlinge. Dann erledigt sich die Schleuserkriminalität von selbst.

(Beifall bei der LINKEN)

Ganz nebenbei haben Sie noch in letzter Minute einen Änderungsantrag im Ausschuss vorgelegt, demzufolge der Inlandsgeheimdienst jetzt auch Dateien über 14- und 15-Jährige anlegen darf. Akten aus Papier konnte der Verfassungsschutz bereits führen. Aber jetzt sollen es auch Dateien sein. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage haben wir erfahren, dass es sich um gerade einmal vier Minderjährige im Alter von 14 bis 15 Jahren handelt. Es gibt also überhaupt gar keinen Bedarf, hier eine solche Ausweitung vorzunehmen. Deswegen sagen wir: Kinder gehören in die Kinderhilfe, dorthin, wo man ihnen auch auf anderer Ebene helfen kann, aber nicht in Dateien des Verfassungsschutzes.

(Beifall bei der LINKEN)

Vergessen wir nicht: Es ist schon unmöglich, den Geheimdienst auf nationaler Ebene zu kontrollieren. Auf internationaler Ebene kann man das zurzeit meines Erachtens vergessen. Auch die Datenschutzbeauftragte hat darauf hingewiesen –

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Jelpke, achten Sie bitte auf die Redezeit.

Ulla Jelpke (DIE LINKE):

– ich komme zum letzten Satz, Frau Präsidentin -, dass ihre Kontrollbefugnisse bei weitem nicht ausreichen. Der Gesetzentwurf ist nichts weiter als ein weiterer Angriff auf die Grundrechte. Er wird unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung hier eben einmal so durchgepusht.

(Beifall bei der LINKEN)