Die jüngsten Anschläge und Gewalttaten in Deutschland werden von sogenannten Sicherheitspolitikern wieder einmal für den Ruf nach verschärften Gesetzen instrumentalisiert.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer wirft in einem realpolitischen Amoklauf wilde Forderungen um sich: Mehr Polizei, unterstützt von Bürgerwehren, mehr Videoüberwachung, Abschiebungen von vorbestraften und sonstwie »gefährlichen« Flüchtlingen auch in Kriegsgebiete, so lauten seine Stichworte. Letzteres wäre ein klarer Verstoß gegen internationale Rechte. Gestern ahmte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann seinen Chef nach: Ausweisungen von Flüchtlingen dürfe es »nicht erst bei Mord und Totschlag« geben. Was für ein Populismus: Erst vor vier Monaten wurden mit Zustimmung der CSU die Ausweisungsregeln verschärft, es können jetzt schon Personen ausgewiesen werden, die lediglich zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt wurden.
Mit der Frage, ob all diese Vorschläge etwas helfen könnten, beschäftigen sich ihre Verfechter gar nicht erst. Videokameras in einem Zug halten mit Sicherheit keinen Selbstmordattentäter auf, und vor einer Abschiebung muss sich der auch nicht fürchten. Sicher ist nur ein Ergebnis: Das gesellschaftliche Klima wird vergiftet. Vor allem, indem so getan wird, als führten mehr Flüchtlinge unweigerlich zu mehr islamistischem Terror.
Während Kanzlerin Merkel die Moderate gibt, sind die Scharfmacher von der Leine: Es gehe nicht, »dass wir nicht wissen, wer sich in unserem Land aufhält«, so etwa Herrmann. Faktisch würde das bedeuten, Tausende von Flüchtlingen an der Grenze in Internierungslager zu zwingen, weil viele von ihnen ihre Pässe nicht mitnehmen konnten oder auf der Flucht verloren haben. Dabei hätte eine lückenlose Registrierung nichts geholfen, weil keiner der Attentäter in irgendeiner Polizeidatei erfasst war. Eine solche Forderung verrät nichts anderes als anachronistischen Kontrollwahn. Denn in Schengen-Europa ist es schon lange nicht mehr üblich, dass ein Staat genau weiß, wer sich in ihm aufhält.
Verräterisch für die Stoßrichtung der Debatte ist im übrigen, dass die einzige Gewalttat der jüngsten Wochen, bei der tatsächlich Menschen ermordet wurden, nämlich der Amoklauf in München, kein Anschlag eines Islamisten war, sondern die Tat eines bekennenden Hitler-Verehrers. Überhaupt begehen Nazis in Deutschland weit mehr schwere Straftaten als »Ausländer«, ohne dass man ihnen ebenfalls mit Gesetzesverschärfungen zu Leibe rückt.
Gegen den Terror des »Islamischen Staats« helfen ohnehin keine gesetzgeberischen Schnellschüsse. Da hilft nur langfristige Arbeit: im Äußeren durch das Ende imperialistischer Dominanz in der »dritten Welt«, im Inneren durch das beharrliche Vertreten eines weltoffenen, demokratischen Konsenses, in dem Rassismus und Aus- und Abgrenzung gegenüber Schutzsuchenden keinen Platz haben.