Neues „Antiterrorpaket“:
Unions-Innenpolitiker setzen auf weitere Grundrechtseinschränkungen und bedienen antimuslimische Ressentiments
(Artikel aus junge Welt, 11. 8. 2016) Rund ein Jahr vor den Bundestagswahlen setzt die Union darauf, sich durch Gesetzesverschärfungen und neue Überwachungsmethoden als Garantin der »inneren Sicherheit« zu profilieren. Als Hauptfeinde nennt sie gemeingefährliche »Islamisten«, sogenannte Integrationsverweigerer und straffällige Ausländer.
Nach einem Bericht der Bild von gestern will Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am heutigen Donnerstag ein neues »Antiterrorpaket« präsentieren. Unter anderem will er die ärztliche Schweigepflicht lockern, damit Mediziner, die von geplanten Straftaten ihrer Patienten erfahren, diese der Polizei melden. Der Präsident der Ärztekammer, Ulrich Montgomery, wies allerdings darauf hin, dass Ärzte bereits nach geltendem Recht in Einzelfällen von der Schweigepflicht abweichen dürfen. »Die angespannte innenpolitische Sicherheitslage darf nicht zu vorschnellen politischen und rechtlichen Maßnahmen verleiten.«
De M aizière plant zudem die Einführung eines neuen Grundes für Abschiebehaft: Die »Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.« Davon betroffen sollen nicht nur straffällig gewordene Ausländer sein, sondern auch sogenannte Gefährder. Als solche gelten Personen, bei denen die »Annahme« besteht, dass sie Straftaten begehen könnten. Die Annahme gründet sich häufig auf kaum nachprüfbare Angaben von Geheimdiensten, so dass der geplante Haftgrund zu einem reinen Instrument der Willkür zu geraten droht.
Noch erheblich über die Vorstellungen de Maizières hinaus gehen die Absichten der Unions-Innenminister der Länder, die in einer »Berliner Erklärung« einen extrem demagogischen Tonfall pflegen: »Wir fordern, Integrationsverweigerung zu ahnden bis hin zur Ausweisung«, heißt es da. Die doppelte Staatsbürgerschaft soll wieder abgeschafft werden, weil sie sich angeblich als »Integrationshemmnis« erwiesen habe. Als Beleg dienen die Konflikte innerhalb der türkischen Community in Deutschland nach dem Putschversuch in der Türkei. Nichtdeutsche »Hassprediger« sollen ausgewiesen, Moscheen auf eine etwaige Finanzierung durch »extremistische Organisationen« überprüft werden. Dass es weniger um die Gewährleistung von Recht und Ordnung geht, sondern um die Bedienung antimuslimischer Ressentiments, zeigt die Forderung nach einem Verbot des Tragens von Burkas in der Öffentlichkeit. Da hat selbst der Bundesinnenminister verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Die geforderte Einschränkung von Grundrechten träfe allerdings alle: Die Unionsinnenminister wollen den Verfassungsschutzämtern in Bund und Ländern die Nutzung der Vorratsdatenspeicherung erlauben, die bislang der Polizei vorbehalten ist. Außerdem sollen schon 14jährige Kinder genauso wie Erwachsene bespitzelt werden können. Zudem werden mehr Videokameras im öffentlichen Raum gefordert. Mit dem Ruf nach Einrichtung eines EU-Kommissars für »irreguläre Migration, Schleuserkriminalität und Rückführung« zeigen die Unionspolitiker, dass sie verbissen am Projekt »Festung Europa« festhalten wollen.
Der Forderungskatalog der Unions-Minister ist im Detail offenbar nicht mit Minister de Maizière abgesprochen, der gestern sagte, er sei nicht mit allem einverstanden. SPD-Vize Ralf Stegner lehnte die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft ab. Die Linksfraktion kritisierte die Pläne scharf: Sie zeugten von einer »Trumpisierung« der Innenpolitik, so Vizechef Jan Korte. »Die Innenminister der Union sind eindeutig im Wahlkampfmodus und fischen dabei wieder einmal kräftig am rechten Rand.«