EU-Grenzschutzagentur bekommt Eingreiftruppe und mehr Kompetenzen gegenüber Nationalstaaten – Seenotrettung gehört nicht dazu
Mit einem medienwirksamen Auftritt wurde die Befugniserweiterung der EU-Grenzschutzagentur »Neues Frontex« am Donnerstag an der türkisch-bulgarischen Grenze unter Anwesenheit des EU-Flüchtlingskommissars Dimitris Avramopoulos verkündet. Die Wahl des Ortes war kein Zufall, geht es doch um die Verstärkung der Frontex-Einheiten in Bulgarien durch Technik und Personal.
Zukünftig kann die in Warschau ansässige Grenzagentur sogar gegen den Willen der jeweiligen nationalen Regierungen die »notwendigen« Maßnahmen zum Schutz des Schengen-Raums treffen, etwa wenn Mitgliedsstaaten nach Ansicht von Frontex ihre Grenzen nicht ausreichend abdichten oder Nicht-EU-Ausländer nicht oft genug abschieben.
Hierzu wird die Agentur, die ursprünglich nur Koordinationsaufgaben für die Grenzabschottung der EU-Staaten ausübte, über eigenes Personal verfügen. Damit sei ein großer Schritt zu einer »echten EU-Grenzpolizei« getan, jubelte Frontex-Chef Fabrice Leggeri. Eine 1.500 Personen starke »schnelle Eingreiftruppe« soll ab dem 6. Dezember permanent in Bereitschaft stehen. Die Truppe kann nun zudem selbstständig Flugzeuge chartern, während sie bislang darauf warten musste, dass ein EU-Mitgliedsstaat ihr die gewünschten Maschinen überließ. 200 dieser Grenzer werden künftig in Bulgarien stationiert sein. Dort ist ein der Abwehr von Flüchtlingen dienender Drahtzaun entlang der Landgrenze zur Türkei bis auf wenige Kilometer fertiggestellt, wie die bulgarische Europaministerin Meglena Kunewa erklärte.
Abschiebungen seien »nicht das Kerngeschäft«, wies Frontex-Direktor Klaus Rösler Vorwürfe zurück, Frontex werde nun zur Abschiebeagentur. Schließlich würden negative Aufnahmebescheide für Asylsuchende weiterhin von den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten ausgestellt. Doch mit ihren ab kommendem Jahr zur Verfügung stehenden »Einheiten für schnelle Abschiebungen« kann Frontex selbst die zwangsweise Rückführung von Schutzsuchenden organisieren.
Seit mehr als einem Jahr wird die Grenzschutzagentur systematisch vor dem Hintergrund der sogenannten »Flüchtlingskrise« mit weiteren Kompetenzen und neuer Logistik ausgebaut. Die damit verbundene Militarisierung der EU-Außengrenzen führte zu einem Anstieg der auf immer riskanteren Fluchtrouten ertrunkenen Schutzsuchenden.
Die Frontex-Reform sieht verstärkt Operationen außerhalb der EU vor. Zum einen mit Staaten wie Serbien und Mazedonien, über die im vergangenen Jahr ein Großteil der Flüchtenden und Migranten nach Europa kam. Aber auch mit Ländern im Nahen Osten oder in Afrika soll nach Angaben von Frontex-Chef Leggeri die Zusammenarbeit ausgebaut werden. So bildet die Agentur bereits heute Grenzschützer des Bürgerkriegslandes Libyen aus, das derzeit nicht einmal über eine allgemein anerkannte Regierung verfügt.
Weiterhin kein Bestandteil der Frontex-Reform ist ein Mandat zur Rettung von Flüchtlingen und Migranten aus Seenot. Eine entsprechende Forderung wurde vom Europäischen Rat als der Vertretung der nationalen Regierungen abgeschmettert.