Afghanistan-»Geberkonferenz«
Gastkommentar von Ulla Jelpke in junge Welt vom 6.10.2016
Jetzt sollen mehr als 80.000 Afghanen, die angesichts der katastrophalen Missachtung der Menschenrechte nach Europa geflohen sind, mit Unterstützung der Regierung in Kabul wieder in das Kriegsland abgeschoben werden. Die EU-Kommission spricht von der Gewährleistung einer »reibungslosen und menschenwürdigen Abschiebung« und ignoriert dabei konsequent die 1.600 Zivilisten, die nach offiziellen Angaben allein im ersten Halbjahr 2016 bei bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschlägen getötet worden sind.
Die 1,2 Millionen Binnenvertriebenen, die unter schlimmsten Bedingungen und in permanenter Lebensgefahr in den Slums von Kabul und anderen Städten ihr Dasein fristen müssen, widerlegen jeden Tag aufs neue die Legende angeblich sicherer Fluchtalternativen im Inland. Galt Kundus vor einer Woche als sicherer Ort, so steht er inzwischen im Zentrum einer großangelegten Offensive der Taliban. Insbesondere Frauen, aber auch religiöse Minderheiten sind permanenter Verfolgung ausgesetzt – auch durch die Regierung in Kabul.
Erwartungsgemäß eskaliert der Krieg in dem Land am Hindukusch. Verantwortlich dafür ist sogar nach Einschätzung des US-Militärs die Unterstützung korrupter Eliten und Warlords, was wiederum zu einer weiteren Verschärfung sozialer Gegensätze führt.
Indem die »Geberkonferenz« nun die Bereitstellung von Terminals für Abschiebungen und weitere Unterstützung bei der »Rückführung« von Geflüchteten durch die afghanische Regierung zur Bedingung für Hilfszahlungen macht, spielt sie die Rechte der Geflüchteten gegen die Not in der Region aus. Das ist nichts anderes als ein schmutziger Handel mit dem Menschenrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.