Rede zu TOP 36ddd zu Protokoll der 243. Sitzung des Deutschen Bundestages am Donnerstag, dem 29. Juni 2017 Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir debattieren hier den Gesetzentwurf von Bündnis90/Die Grünen zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes. Konkret geht es um die Korrektur eines zentralen Missstandes bei der Gesetzgebung zur Duldung für Auszubildende.
Als Geduldete werden Menschen bezeichnet, die rechtlich gesehen zwar als ausreisepflichtig gelten, aber aus familiären, humanitären oder anderen Gründen nicht abgeschoben werden dürfen oder können. Sie befinden sich in einem Status der weitgehenden Rechtlosigkeit, sie erhalten häufig Sachleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, können einem Arbeitsverbot unterliegen und selbst nach vielen Jahren ohne jede Vorankündigung abgeschoben werden. Die Erfahrung zeigt, dass eine Duldung häufig kein kurzer Übergangsstatus ist, sondern oft über viele Jahre immer wieder verlängert wird. Bleiberechtsregelungen der letzten Jahre waren zu eng gefasst, um allen langjährig Geduldeten ein sicheres Aufenthaltsrechts zu vermitteln.
Mit dem Integrationsgesetz wurden im letzten Jahr die Voraussetzungen für die Erteilung einer Duldung zur Ausbildung geändert. Diese Regelung soll es Menschen mit Duldungsstatus ermöglichen, trotz Ablehnung ihres Asylantrags hier eine Ausbildung zu beginnen bzw. zu beenden. Die sogenannte 3+2 Regelung sieht einen Schutz vor Abschiebung während der bis zu dreijährigen Ausbildung vor. Danach ist eine sechsmonatige Arbeitsplatzsuche und eine reguläre Beschäftigung und Aufenthaltssicherung möglich. Obwohl diese Regelung einen Schritt in die richtige Richtung darstellt, hat sie doch mehr als nur einen Pferdefuß. Zum einen haben Verbände, Betriebe und auch die LINKE schon immer gefordert, dass statt einer bloßen Duldung eigentlich eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müsste. Nur dass böte die erforderliche Rechtssicherung. Zum anderen gilt die Einschränkung, dass eine Ausbildungsduldung nur erteilt werden darf, wenn „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“. Diese schwammige Formulierung öffnet Willkür Tür und Tor, denn vor allem die Ausländerbehörden definieren in der Praxis, was hierunter konkret zu verstehen sein soll – das könnte im Extremfall dann schon die Terminierung einer Vorsprache sein, bei der die Betroffenen zur Passbeschaffung aufgefordert werden sollen.
Ungeachtet dieser Regelung sind immer wieder Geduldete, die sich bereits in einer Ausbildung befinden, von Abschiebung bedroht oder betroffen. So werden, wie neulich erst in Bayern geschehen, immer wieder junge Menschen aus Berufsschulen oder von ihren Ausbildungsstätten mit teils massiver Polizeigewalt verschleppt und abgeschoben. Das ist ein himmelschreiendes Unrecht, eine umfassende Korrektur dieser Regelung ist dringend notwendig – weit über die von den Grünen vorgeschlagene wichtige Detailänderung hinaus.
Einen Hinweis kann ich den Grünen allerdings nicht ersparen: Selbstverständlich stimmen wir Ihrem Gesetzentwurf zu. Allerdings wäre es glaubhafter gewesen, wenn Sie die Passage, die Sie jetzt wieder aus dem Gesetz streichen möchten, zusammen mit der LINKEN abgelehnt hätten, statt dem entsprechenden Änderungsantrag der Koalition am 6. Juli 2016 im Innenausschuss auch noch zuzustimmen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch nochmal deutlich darauf hinweisen, dass der Antrag der Grünen bei Weitem nicht alle Missstände bezüglich der Ausbildungsduldung aufgreift. Schon allein das Konzept der Erteilung einer Duldung zur Ausbildung ist doch widersinnig: Um Planungssicherheit sowohl für die Betriebe als auch für die Auszubildenden zu schaffen, ist eine Aufenthaltserlaubnis notwendig! Auch die Zusage einer Ausbildung sollte für die Erteilung eines solchen Titels ausreichend sein, um die Zeit bis zum Beginn der Ausbildung zu überbrücken und nicht vorher abgeschoben zu werden.