Erklärung von Ulla Jelpke
Die türkische Regierung missbraucht Interpol, um ihre vor politischer Verfolgung nach Europa geflohenen Kritiker dort weiter zu verfolgen.
Das wurde zuletzt deutlich bei der Festnahme des Schriftstellers Dogan Akhanli in Spanien in Folge eines auf Betreiben der Türkei über Interpol verbreiteten Dringlichkeitsvermerks (Red Notice). Wenige Wochen zuvor war ebenfalls in Spanien ein anderer türkeistämmiger Schriftsteller in Auslieferungshaft genommen worden. Neu ist diese Entwicklung nicht. Bereits in den vergangenen Jahren wurden regelmäßig Exiloppositionelle, die zum Teil seit Jahrzehnten in Europa leben, dort als Flüchtlinge anerkannt sind oder die Staatsbürgerschaft ihres Zufluchtslandes angenommen hatten, aufgrund türkischer Haftbefehle bei Auslandsreisen festgenommen.
Für die Betroffenen ist das nicht nur eine schwere psychische Belastung, weil das Damokles-Schwert der Auslieferung an ihren Verfolgerstaat so wieder über ihnen schwebt. Sie werden selbst als Bürger von EU-Staaten in ihrer Bewegungsfreiheit innerhalb der EU massiv eingeschränkt, weil sie bereits eine Festnahme befürchten müssen, sobald sie in ein anderes Land reisen.
Es bleibt jedem Staat selbst überlassen, ob und wie er auf Interpol-Ausschreibungen reagiert. Solange die derzeitigen willkürlichen und diktatorischen Zustände in der Türkei andauern und es dort keinerlei Rechtssicherheit mehr gibt, sollten die EU-Staaten von daher beschließen, den offenkundig politisch motivierten Interpol-Ausschreibungen aus der Türkei nicht mehr nachzukommen. Insbesondere sollten die EU-Staaten vereinbaren, dass keine EU-Bürger bzw. in EU-Staaten lebende oder dort als Flüchtlinge anerkannte Personen mehr aufgrund türkischer Interpol-Ausschreibungen in Auslieferungshaft genommen werden.
Vom Bundeskriminalamt erwarte ich zudem, dass die in Deutschland lebenden Erdogan-Kritiker gewarnt werden, falls es sie betreffende über Interpol verbreitete Festnahmeersuchen der Türkei gibt.
Exiloppositionelle aus der Türkei brauchen Schutz vor Verfolgung und sie verdienen Unterstützung in ihrem Einsatz für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Die Justizbehörden der EU-Staaten dürfen sich nicht zum Werkzeug Erdogans machen lassen.