Aufregung um UN-Migrationspakt
Kommentar von Ulla Jelpke in junge Welt vom 7.11.2018In rechten Internetforen wird schon seit Monaten Alarm geschlagen: Der »große Austausch« stehe bevor, eine Völkerwanderung solle eingeleitet werden, 300 Millionen Afrikaner würden in den nächsten Jahrzehnten nach Europa einwandern – legitimiert und gesteuert durch einen globalen Pakt für Migration der Vereinten Nationen (UN). Verabschiedet werden soll dieser Vertrag im Dezember auf einem UN-Treffen in Marokko. Im Bundestag ist er am Donnerstag Debattenthema. Auf Antrag der AfD, die darin »ein riesiges Umsiedlungsprogramm für Wirtschaftsflüchtlinge« sieht. Auch innerhalb der Unionsfraktion finden sich Kritiker.
Dieser Pakt will die Rechte all derjenigen Migranten stärken, die nicht unter das Mandat der Genfer Flüchtlingskonvention fallen, aber dennoch unfreiwillig ihre Heimatländer verlassen. Sie sollen so einen Anspruch auf allgemeine Menschenrechte und Grundfreiheiten haben. Der Kampf gegen Ausbeutung und Diskriminierung ist ebenso Bestandteil des Abkommens wie die Ausweitung der Möglichkeiten zur regulären Migration und eine Handhabe zur Bekämpfung von Rassismus. Bei Verabschiedung des Entwurfstextes im Juli scherten bereits die USA aus, auch die rechten Regierungen Ungarns und Österreichs haben erklärt, den Pakt nicht unterzeichnen zu wollen. Weitere Staaten erwägen den Ausstieg. Der extremen Rechten in Deutschland, der nach dem angekündigten Abtritt von Angela Merkel als CDU-Vorsitzender ein zentrales Feindbild abhanden gekommen ist, dient die Panikmache zur weiteren Mobilisierung ihrer Anhänger. Dabei ist das auch von der AfD vorgebrachte Argument des nationalen Souveränitätsverlustes in der Migrationsfrage pure Demagogie. Denn der Pakt ist rechtlich nicht bindend, es gibt keinerlei Quoten, wie viele Migranten ein Land aufnehmen soll.
Kritik am Abkommen ist dennoch legitim – aus linker Sicht, weil es eben nicht weit genug geht: Es ist nämlich im wesentlichen nicht mehr als eine vollmundige, aber zahnlose Absichtserklärung ohne praktische Konsequenzen. Es proklamiert das Ziel, dass die Menschen in ihren eigenen Ländern in Sicherheit und Würde leben können, dass also niemand unfreiwillig zur Migration gezwungen ist. Dass die Rechte von Migranten gestärkt und dafür eine internationale Zusammenarbeit etabliert werden sollen. Das sind richtige Forderungen, denen aber leider nicht die notwendigen Konsequenzen folgen.
Das ist auch kein Wunder, denn dazu müsste man an die Grundlagen des kapitalistischen Systems gehen. Die massenhafte Migration ist heute vor allem Ausdruck weltweiter Ungleichheit, neokolonialer Ausplünderung ganzer Kontinente, imperialistischer Kriege und von westlichen Staaten mit Rüstungslieferungen angeheizter Bürgerkriege sowie profitgetriebener Umweltzerstörung. Hier müsste echte Fluchtursachenbekämpfung ansetzen. Das aber von einem UN-Pakt zu erwarten, wäre unrealistisch.