Werte Genossinnen und Genossen vom Bundesvorstand der Roten Hilfe und der Redaktion der Roten Hilfe Zeitung,
als ich die aktuelle Ausgabe der Rote Hilfe Zeitung (RHZ) aus dem Briefkasten holte und die Überschrift „Repression gegen linke Oppositionelle in der DDR“ las, wollte ich meinen Augen nicht trauen. Mein erster Eindruck war, dass dies nur eine peinliche Anbiederung an den antikommunistischen Zeitgeist darstellt, in der irrigen Hoffnung, auf diese Weise einem laut Presseberichten geplanten Verbotsverfahren durch das Bundesinnenministerium zu entgehen.
Ist Euch eigentlich bewusst, was so ein Zeitungsschwerpunkt gerade in Zeiten wie den heutigen signalisiert? Angesichts drastisch verschärfter Polizeigesetze in mehreren Bundesländern, der Aufdeckung von Putschisten- und Nazinetzwerken in Bundeswehr, Polizei und Geheimdiensten, dem Vorgehen der Polizei gegen Demonstrantinnen und Demonstranten im Hambacher Forst, von unrechtmäßigen Polizeirazzien in Flüchtlingsunterkünften und geplanten Gesetzesverschärfungen zur Kriminalisierung von Flüchtlingsrettung gibt es doch wahrlich dringlichere Themen.
Mir ist zwischenzeitlich klar geworden, dass diese Ausgabe der RHZ eine Reaktion auf den DDR-Schwerpunkt in RHZ 4/2016 darstellt. Dazu kann ich nur sagen, dass bereits diese Pro-DDR-Ausgabe aus meiner Sicht ein Fehler gewesen ist. Aufgabe der Roten Hilfe ist es laut Satzung, Solidarität gegen die aktuelle staatliche Repression gegen Linke in der BRD zu organisieren. Diese Repression und den Widerstand dagegen gilt es in der RHZ abzubilden. Kontroverse geschichtspolitische Themen in Form einseitiger Schwerpunkte abzuhandeln, schadet dem notwendigen Widerstand gegen autoritäre Tendenzen in der BRD, die wir immer schärfer erleben. Das widerspricht zudem dem strömungsübergreifenden Charakter der Roten Hilfe.
Meine erste Reaktion auf den Anti-DDR-Schwerpunkt war tatsächlich die Absicht, sofort aus der Roten Hilfe auszutreten. Denn grundsätzlich gilt: ich muss nicht in jedem Verein Mitglied sein, mit dem ich solidarisch bin. Und meine Solidarität gegen ein drohendes Verbot und sonstige Repression durch Staat und Nazis wird von meinem Ärger über diese RHZ natürlich nicht geschmälert.
Doch mir ist auch klar, dass ein Austritt in der jetzigen Situation ein falsches Signal vor allem an die rechten Gegner der Roten Hilfe wäre. Daher bleibe ich Mitglied in der Hoffnung, dass es zukünftig nicht wieder zu solchen Ausrutschern kommt und sich die Rote Hilfe auf ihr Kernthema der Antirepressionsarbeit konzentriert. Denn zu tun gibt es in diesem Bereich wahrlich genug!
Viele Grüße
Ulla Jelpke