Rede zu TOP 12 Koalition: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Entfristung des Integrationsgesetzes Drucksache 19/8692, 19/9764
Anrede,
Mit dem Integrationsgesetz wurde 2016 eine Wohnsitzregelung für anerkannte Flüchtlinge eingeführt. Sie können seitdem verpflichtet werden, in einem bestimmten Landkreis oder einer bestimmten Stadt zu wohnen. Mit dem nun vorgelegten Gesetz will die Bundesregierung diese ursprünglich auf drei Jahre befristete Möglichkeit entfristen.
DIE LINKE. lehnt diesen Vorstoß ab. Integration erreicht man nicht durch Zwang, sondern durch Angebote und eine Stärkung sozialer Netzwerke.
Nach der Genfer Flüchtlingskonvention und der EU-Qualifikationsrichtlinie haben anerkannte Flüchtlinge ein Recht auf Freizügigkeit und dürfen ihren Wohnort frei wählen. Einschränkungen dieses Rechts sind nur unter engen Voraussetzungen mit dem Ziel einer besseren Integration zulässig. Das hat der Europäische Gerichtshof klargestellt. Die Wohnsitzauflage ist aber ein integrationspolitischer Schuss ins Knie!
Wohnsitzauflagen erschweren die Integration in den Arbeitsmarkt. Wissenschaftliche Studien zeigen: etwa die Hälfte der Flüchtlinge, die in Deutschland eine Arbeit finden, schaffen das durch persönliche Kontakte. Sie sind darauf angewiesen, sich vor Ort nach Arbeitsmöglichkeiten umzusehen und persönlich mit Menschen zu sprechen. Das können sie aber nicht, wenn sie gezwungen werden, in strukturschwachen Regionen zu leben, in denen Ausbildungs- und Arbeitsplätze rar sind.
Auch die Wohnungssuche kann durch Wohnsitzauflagen erheblich erschwert werden. Flüchtlingsunterstützer aus Bayern haben mir berichtet, dass Flüchtlinge im noblen Landkreis Starnberg aufgrund des Mangels an bezahlbarem Wohnraum reihenweise dazu verdonnert werden, in Containerwohnanlagen zu wohnen. Dort stehen sie dauerhaft unter Aufsicht der Unterkunftsverwaltungen. Das ist das Gegenteil von Integration, so werden Menschen dauerhaft entmündigt!
Wohnsitzauflagen sind außerdem ein Hindernis für einen effektiven Gewaltschutz. Von Gewalt betroffene Frauen, die ein Frauenhaus außerhalb des ihnen zugewiesenen Ortes aufsuchen, handeln ordnungswidrig. Das Gesetz enthält zwar eine Härtefallregelung, doch bisherige Erfahrungen zeigen, dass diese in der behördlichen Praxis keinen hinreichenden Schutz garantiert. Wir kennen Fälle, in denen Beratungsstellen die Situation von Frauen als lebensbedrohlich einschätzten, die Aufhebung der Wohnsitzverpflichtung aber dennoch nicht genehmigt wurde. Das muss man sich mal vorstellen!
Anrede,
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht auch vor, die Kostentragungspflicht für Flüchtlingsbürgen weiterhin auf drei Jahre zu begrenzen. Das geht zwar in die richtige Richtung, jedoch sind drei Jahre immer noch viel zu lang. Die Kosten für staatliche Aufgaben – nämlich die Aufnahme und Versorgung von Schutzsuchenden – dürfen nicht auf Privatpersonen abgewälzt werden!
Eine abschließende Bemerkung: Es ist eine Sauerei, dass die Koalitionsfraktionen dieses Gesetz im Schnellverfahren durchs Parlament peitschen wollen. Damit verkommt das demokratische Verfahren vollends zur Farce.