Rede von Ulla Jelpke (DIE LINKE) am 119. Sitzungstag (17. Oktober 2019) des Bundestages zu TOP 17 „Waffenrecht“ (die Rede ging zu Protokoll)
Anrede,
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf möchte die Bundesregierung das deutsche Waffengesetz an EU-Richtlinien anpassen, die in Reaktion auf die schweren Terroranschläge in Frankreich im Jahr 2015 beschlossen wurden.
Sie will sowohl den illegalen Zugang zu scharfen Schusswaffen als auch die Nutzung legaler Schusswaffen für terroristische Anschläge erschweren. Zudem sollen legale Schusswaffen über ihren gesamten Lebenszyklus behördlich zurückverfolgt werden können.
Dem Ziel, den Missbrauch von Schusswaffen soweit wie möglich zu verhindern, steht DIE LINKE. selbstverständlich grundsätzlich positiv gegenüber.
Anrede,
die Bundesregierung schießt jedoch über das von der EU-Richtlinie Geforderte hinaus. So will sie etwa eine Meldepflicht für sogenannte Dekorationswaffen, also unbrauchbar gemachte Originalwaffen. Deutschland hat allerdings bereits seit 2016 eine der strengsten Deaktivierungsvorgaben für Waffen weltweit. Zudem wird vielen Besitzern solcher Stücke gar nicht bewusst sein, dass sie einen plötzlich meldepflichtigen Gegenstand im Haushalt haben.
Wir schlagen deshalb vor, nur und ausschließlich Neuanschaffungen erlaubnispflichtig zu machen. Sammler, die in der Vergangenheit Dekowaffen auf dem Flohmarkt erworben haben, wären damit aus dem Schneider. Alles andere wäre eine bürokratieaufwändige Kriminalisierung harmloser Sammler, die zudem keinen Sicherheitsgewinn bringen würde.
Anrede,
Regelmäßig werden bei Razzien im rechten Milieu große Mengen Schusswaffen sichergestellt. Selbst in Fällen, in denen es sich um knallharte Nazis handelt, verharmlosen Polizei und Bundesregierung die Besitzer solcher Waffen gerne als verschrobene Waffennarren.
Die NSU-Morde, der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und der antisemitische Terroranschlag auf eine Synagoge in Halle mit zwei Todesopfern haben auf erschreckende Weise deutlich gemacht, dass Faschisten Gewehre und Pistolen nicht aus bloßer Sammelleidenschaft horten. Sie wollen diese Waffen auch einsetzen. Sie bereiten sich auf einen Bürgerkrieg vor, sie legen Todeslisten mit den Namen politischer Gegner an – und sie morden! Die permanente Verharmlosung der zunehmenden Bewaffnung von Faschisten mit Schusswaffen muss ein Ende haben!
Anfragen beim Verfassungsschutz für die Vergabe von Waffenbesitzkarten – oder gar Regelanfragen, wie vom Bundesrat gefordert – halten wir nicht für zweckdienlich. Ich erinnere nur daran, dass V-Leute des Geheimdienstes wiederholt Waffen in die Naziszene eingeschleust haben. 2007 beschaffte Sebastian S., ein hochkrimineller V-Mann des NRW-Verfassungsschutzes, einem Dortmunder Neonazi eine Waffe. Oder denken wir an den Nazi-Kader Carsten S., der als V-Mann „Piatto“ für den brandenburgischen Verfassungsschutz arbeitete und in Waffengeschäfte verwickelt war. Alles keine Einzelfälle!
Wie wenig so eine Behördenanfrage beim Verfassungsschutz bringt, zeigt zudem der Lübcke-Mord. Noch 2015 stellte der hessische Verfassungsschutz auf Behördenanfrage dem mutmaßlichen Komplizen des Mörders, Markus H., ausdrücklich eine Unbedenklichkeitserklärung zum Erhalt einer Waffenbesitzkarte aus, obwohl dieser einschlägig in der Naziszene unterwegs war. H. hortete mehrere Schusswaffen, von ihm soll auch die Tatwaffe stammen.
Der Verfassungsschutz hat oft genug bewiesen, dass er gar kein wirkliches Interesse hat, gegen die rechtsextreme Szene vorzugehen. Lieber hält er seine schützende Hand über seine Spitzel und V-Leute, egal wie kriminell und gefährlich diese sind.
Statt Regelanfragen beim Geheimdienst fordern wir, dass Polizei und Ordnungsbehörden konsequent von den bestehenden Möglichkeiten zur Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit Gebrauch machen, um Rechtsextremen den Waffenbesitz zu verunmöglichen.
Denn eins ist klar: Nazis, Reichsbürger und Pegida-Hetzer dürfen auf gar keinen Fall auf legale Weise in den Besitz von Schusswaffen kommen. Und wenn sie bereits eine Waffenerlaubnis haben, muss diese unverzüglich widerrufen und ihnen die Waffen entzogen werden!