Pressemitteilung von Niema Movassat und Ulla Jelpke, 21. April 2020
„Die Bundesregierung darf bei ihren Absprachen mit den Bundesländern zur Bekämpfung des Corona-Virus diejenigen nicht vergessen, die aus eigener Kraft keine Maßnahmen zu ihrer Sicherheit ergreifen können. Hierzu gehören auch die Inhaftierten in Justizvollzugs- und Jugendarrestanstalten. Wir fordern durch Haftunterbrechungen und -entlassungen bei geringfügigen Strafen Platz zu schaffen, um für die verbliebenen Inhaftierten einen wirksamen Schutz vor Corona zu gewährleisten. Der eingeschränkte Kontakt mit Familie und Freunden durch Besuchsverbote muss ausgeglichen werden, indem den Inhaftierten zum Beispiel jederzeit die Möglichkeit eingeräumt wird, zu telefonieren. Resozialisierung stellt das herausragende Ziel des Vollzugs von Freiheitsstrafen dar. Hierauf hat jeder und jede Inhaftierte einen aus der Würde des Menschen stammenden Anspruch. Die Corona-Krise darf nicht dazu führen, dass Inhaftierte um den Schutz ihrer Gesundheit willen nur noch weggesperrt werden. Der Staat darf während einer globalen Pandemie nicht auf ein stumpfes Absitzen von Strafen pochen. Eine bloße Verwahrung ohne Chance auf Resozialisierung verletzt die Menschenwürde“, erklärt Niema Movassat, Obmann im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz und verfassungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, zum Antrag „Zur Bewältigung der Corona-Krise Justizvollzugsanstalten entlasten – Gesundheit der Inhaftierten schützen“, der am Donnerstag im Bundestag zur Abstimmung kommt.
Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE und Obfrau im Innenausschuss, erklärt dazu: „Mich erreichen in diesen Tagen viele Hilferufe von verunsicherten Gefangenen, die auf den völlig unzureichenden Schutz vor einer Corona-Übertragung in den Justizvollzugsanstalten hinweisen. Gerade bei der Essens- und Medikamentenausgabe sind Gefangene in baulich antiquierten Gefängnissen gezwungen, ohne Schutzmasken in engen Gängen in Gruppen zusammenzustehen. Hier muss sofort Abhilfe geschaffen und sichergestellt werden, dass ausreichend Masken und Desinfektionsmittel für Gefangene und JVA-Bedienstete vorhanden sind. Anstaltsleitungen sollten zudem Schutzpläne gemeinsam mit Gefangenenvertretungen ausarbeiten. Andernfalls würden sich notwendige Maßnahmen zur sozialen Distanzierung, die weiter in die wenigen vorhandenen Rechte der Inhaftierten eingreifen, nur als zusätzliche Schikane auswirken. Strafgefangene und Menschen in Sicherungsverwahrung haben zwar keine Lobby – doch auch sie haben ein Recht auf die Wahrung ihrer Gesundheit. Die Bundesregierung und die Landesregierungen sind daher aufgefordert, ihrer Schutzverantwortung nachzukommen, ehe die Pandemie sich hinter Gittern ausbreiten kann.“