Nur allzu gerne hätte ich auch in diesem Jahr an einem Ostermarsch teilgenommen und bereits die Mobilisierung unterstützt. Solange die Bundeswehr nicht aufhört, Krieg zu führen, solange Deutschland Waffen in alle Welt liefert, bleibt es notwendig, dagegen auf die Straße zu gehen. Für den Fall, dass sich die Bekämpfung der Pandemie noch über eine längere Zeit hinzieht, muss auch die Versammlungsfreiheit wieder hergestellt werden, unter Beachtung einschlägiger Schutzmaßnahmen.
Aber nicht nur unter diesem Gesichtspunkt geht die Corona-Pandemie auch die Friedensbewegung etwas an. Wir erleben derzeit, wie die Forderung nach Inlandseinsätzen der Bundeswehr wieder laut wird. Dabei ist es schon schlimm genug, dass der zivile Katastrophenschutz so schlecht ausgestattet ist und der Gesundheitsbereich so zurückgespart wurde, dass bereits jetzt die Bundeswehr zu einfacher Amtshilfe gerufen wird. Hier gilt es, endlich umzukehren: Das Geld muss dorthin, wo es gebraucht wird, und das ist nicht das Militär, sondern der zivile Bereich.
Noch bedrohlicher ist aber die Tendenz, jetzt auch nach bewaffneten Inlandseinsätzen zu rufen, wie sie aus verschiedenen Ländern bzw. Kommunen laut werden. Die Bundeswehr hat bereits 5500 Soldaten mobilisiert, um „bei Bedarf“ bewaffnete, polizeiähnliche Aufgaben im Inland durchzuführen. Unterstützt werden sie insbesondere von Politikerinnen und Politikern der Union. Der baden-württembergische Innenminister will Soldaten als Wachschutz vor Polizeigebäuden aufstellen, ein bayerischer Landkreis will ein THW-Depot von der Bundeswehr bewachen lassen, und vereinzelt wird auch danach gerufen, etwa die Unterkünfte von Flüchtlingen unter Bundeswehr-„Schutz“ zu stellen. Auch die Rufe nach einer „Anpassung“ des Grundgesetzes fehlen nicht.
Wir erleben zur Zeit, dass ein Grundrecht nach dem anderen zur Bekämpfung der Pandemie eingeschränkt wird. Lassen wir nicht zu, dass dabei auch die Trennung von Militär und Polizei geopfert wird! Es gibt nicht nur keinen legitimen Grund dafür – vielmehr wäre ein solcher Schritt weit mehr als eine zeitlich begrenzte Einschränkung von Grundrechten, nämlich ein nachhaltiger Angriff auf sie. Wir wollen keine Soldaten, die den Auftrag haben, im Ernstfall auf die eigenen Bürger zu schießen! Genauso wenig wie wir Soldaten haben wollen, die im Ausland auf Menschen schießen.
Für den Militärhaushalt sind in diesem Jahr 45 Milliarden Euro eingeplant – während für den Kauf von Atemschutz und Schutzkitteln Kredite aufgenommen werden müssen. Versammlungen von mehr als zwei Leuten sind verboten, aber die Beschäftigen in der Rüstungsindustrie kommen weiterhin zusammen, um noch mehr Waffen zu produzieren. Dabei ist das die überflüssigste Produktionssparte von allen, die sofort dicht gemacht werden und in zivile Produktion umgewandelt werden müsste!
Es gäbe viele Gründe, gegen Militarismus auf die Straße zu gehen. Eine von vielen Möglichkeiten wurde von AntimilitaristInnen in Berlin umgesetzt, in Form eines Adbustings, das die Vorbereitungen auf einen Bundeswehreinsatz in Baden-Württemberg kritisierte:
https://de.indymedia.org/node/74556
Lasst uns viele Überlegungen austauschen, wie wir antimilitaristischen Protest auch in Zeiten der Ausgangsbeschränkungen und Versammlungsverbote bewerkstelligt bekommen!
Solidarische Grüße
Ulla Jelpke