Rede: Freizügigkeitsgesetz: Schutzbedürftige Gruppen nicht von existenzsichernden Leistungen ausschließen!

173. Sitzung des Deutschen Bundestages am Donnerstag, dem 10. September 2020 – TOP 19 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur aktuellen Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften an das Unionsrecht Drucksache 19/21750

 

 

Anrede,

 

wir beraten heute über Änderungen des Freizügigkeitsgesetzes, das die Einreise und den Aufenthalt von Unionsbürgern regelt.

 

Vorgesehen ist, dass der Anspruch auf Familiennachzug zu Unionsbürgern auf Personen außerhalb der Kernfamilie ausgeweitet wird, zum Beispiel auf Geschwister, Pflegekinder oder unverheiratete Lebenspartner.

 

Diese Neuerung klingt erstmal gut. Allerdings muss man hier auch sagen: Der Europäische Gerichtshof hat das schon 2012 in einem Urteil so vorgegeben. Das heißt, die Bundesregierung setzt erst jetzt, endlich, das geltende EU-Recht um. Fast ein Jahrzehnt lang hat sie den Betroffenen das Recht auf Familiennachzug verweigert. Insofern ist dieses Gesetz wirklich keine migrationspolitische Großtat, denn das wäre schon längst fällig gewesen!

 

Anrede,

im Gesetzentwurf geht es auch um die Aufenthaltsrechte britischer Staatsbürger nach dem Brexit. Die Bundesregierung hatte mehrfach erklärt, dass Unionsbürger aus Großbritannien, die in Deutschland leben, durch den Brexit keine Nachteile erleiden sollten. Innenstaatssekretär Mayer hat noch im Frühjahr im Innenausschuss bestätigt, dass das auch für den Ausweisungsschutz gilt.

 

Aber jetzt heißt es im Gesetzentwurf auf einmal,  dass die Ausweisungsregelungen, die für Drittstaatsangehörige gelten, auch  auf sogenannte „Alt-Briten“ angewendet werden sollen. Das ist ein klarer Wortbruch!

 

Schließlich nutzt die Bundesregierung den Gesetzentwurf, um klammheimlich weitere Leistungsausschlüsse für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger durchzusetzen. Eine positive Rechtsprechung der Sozialgerichte, bei der geprüft wird, ob Unionsbürger Anspruch auf Leistungen nach dem Aufenthaltsgesetz haben, soll künftig nicht mehr möglich sein.

 

In der Folge würden Jobcenter in noch mehr Fällen als bisher Leistungen ablehnen.

Betroffen wären beispielsweise nicht verheiratete Elternteile mit Kindern, Schwangere vor der Geburt des Kindes, Menschen mit schweren Erkrankungen oder andere Härtefälle. All diese besonders schutzbedürftigen Gruppen will die Bundesregierung künftig von existenzsichernden Leistungen ausschließen.

 

Das ist ein Vorhaben, das wir wirklich für absolut menschenfeindlich halten, und das DIE LINKE entschieden zurückweist.