„Ein großer Teil der gesuchten Neonazis entzieht sich seit zwei Jahren oder noch länger der Verhaftung. Das wirft nicht nur Fragen nach der Intensität der polizeilichen Fahndung auf, sondern auch danach, ob hier ein rechtsextremer Untergrund entsteht. Insgesamt drängt sich mir der Eindruck auf, dass die Bundesregierung das Nazi-Problem noch immer nicht ernst genug nimmt“, erklärt Ulla Jelpke, die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Entwicklung der Zahl per Haftbefehl gesuchter Neonazis, Frühjahr 2020“ (19/21773). Die Zahl gesuchter Neonazis ist mit 475 weiterhin auf hohem Stand. Die Zahl derjenigen, die wegen Gewaltdelikten gesucht werden, ist auf dem höchsten Stand seit Beginn der Erfassung im Jahr 2014; das gilt wahrscheinlich auch für die Zahl der Haftbefehle, die aufgrund eines politisch motivierten Delikts ergangen sind. 110 Neonazis werden bereits seit dem Jahr 2018 oder früher erfolglos gesucht. Ulla Jelpke dazu weiter:
„Auf jeden Faschisten, dessen Haftbefehl sich erledigt, kommt ein anderer, der neu gesucht wird. Die Naziszene wird immer gewalttätiger, und die Sicherheitsbehörden bekommen die rechtsextreme Szene offenbar nicht in den Griff. Ich erwarte, dass es hierzu endlich ernsthafte Anstrengungen und sichtbare Ergebnisse gibt. Die Bundesregierung täuscht im Übrigen, wenn sie behauptet, 270 erledigte Haftbefehle im letzten halben Jahr seien ein Beweis für die nachdrückliche Fahndungstätigkeit der Polizei. Denn wie sie selbst zugibt, weiß sie überhaupt nicht, wie viele dieser Haftbefehle wirklich durch polizeilichen Zugriff vollstreckt wurden und wie viele sich nicht aus anderen Gründen wie durch Zahlung einer Geldbuße erledigt haben, oder wegen Verjährung aufgehoben wurden, oder durch Selbststellung erledigt haben. Hier sollte mal ein genauerer Blick auf die Effektivität der Polizeiarbeit geworfen werden, statt sich in Angeberei zu üben.“
Anfrage und Antwort sind hier einzusehen:
KA 19_24664_gesuchte_Nazis_Herbst2020