Klarheit statt Vernebelung

Notwendiger Nachtrag zur Kritik am Entwurf des Wahlprogramms der scheidenden Vorsitzenden der Partei Die Linke

von Sevim Dagdelen, Ulla Jelpke, Ellen Brombacher, Lydia Krüger, Steffen Niese, Isabelle Casel, Andrej Hunko, Justo Cruz (erschienen in der jungen Welt vom 19.02.2021)

 

Die Verteidigung des Wahlprogrammentwurfs der beiden scheidenden Vorsitzenden der Partei Die Linke durch Bernd Riexinger in der jungen Welt vom 15. Februar ist besser als der Entwurf. Anlass zur Kritik an diesem Entwurf gibt es reichlich, und die Formulierung dieser Kritik sollte nicht als Falschbehauptung und Geltungsdrang abgetan werden. Dazu ist der Anlass auch viel zu ernst.

Wir fragen uns dabei, warum die beiden Parteivorsitzenden mit ihrem Entwurf an die Öffentlichkeit vorgeprescht sind, ohne die inhaltliche Expertise der Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaften abgefragt oder den Text mit dem Parteivorstand vorher auch nur beraten zu haben. Und wer den Beitrag von Bernd Riexinger in der jW liest, mag kaum glauben, dass er und Katja Kipping den von ihnen verantworteten, 137 Seiten umfassenden Entwurf bis ins Detail studiert haben. »Wir sind gegen jegliche Auslandseinsätze der Bundeswehr, und wir werden uns an keiner Regierung beteiligen, die aufrüstet und auf Militarisierung setzt«, bekräftigte der Kovorsitzende in der jW ausdrücklich. Doch im Entwurf des Wahlprogramms findet sich diese klare Positionierung leider nicht. Und während Riexinger dem Antiimperialismus in der jW das Wort redet, taucht im Entwurf zum Wahlprogramm noch nicht einmal der Begriff »Imperialismus« auf. Weltweite soziale Gerechtigkeit sei durchzusetzen, indem man den »entfesselten Raubtierkapitalismus (…) endlich an die Leine« nehmen wolle.

Hätte Riexinger einiges von dem, was er in der jW geschrieben hat, schon in den Programmentwurf genommen, dann gäbe es in der Tat weniger Anlass zur Widerrede. Allein, uns bleibt jetzt nur die konkrete Kritik am Wahlprogrammentwurf der Vorsitzenden, auch weil fälschlicherweise der Eindruck entstanden ist, es handele sich um ein Dokument der Partei Die Linke.

Die Verteidigung des Entwurfs nach dem Muster, es stünde doch viel Gutes und Richtiges drin, ist nicht haltbar, da sich an zentralen Stellen widersprüchliche Formulierungen finden. Zentrale und nach wie vor aktuelle Forderungen aus unserem Wahlprogramm 2017 tauchen dafür nun nicht mehr auf.

In der Gesamtschau ist dieser Entwurf daher als Versuch einer Relativierung der friedenspolitischen Positionen der Partei und der internationalen Solidarität zu werten. Nicht der Ruf nach »weniger Geld für Aufrüstung« (Seite 114), sondern die Forderung nach einem Abzug der US-Truppen aus Deutschland und der Schließung von Ramstein sowie aller anderen US-Militärbasen müssen in ein friedenspolitisches Programm für das 21. Jahrhundert. Wer einer »Modernisierung« der Friedenspolitik das Wort redet und dabei die internationale Solidarität mit Kuba vergisst, wen in verschiedenen Formulierungen eine Ambivalenz in puncto Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht stört, die oder der setzt sich dem Verdacht aus, dahinter gewichtige Änderungen bei den friedenspolitischen Positionen zu verbergen. Es ist auch befremdlich, jetzt zu erklären, man solle sich nicht zu sehr an einzelnen Formulierungen in einem 137-Seiten-Papier aufhängen, nachdem die anfängliche Verteidigungslinie, die inkriminierten Passagen stünden gar nicht im Entwurfstext, nicht mehr zu halten war.

Der jW-Artikel »Absage an die Friedenspolitik«, der in einem ersten Aufschlag außen- und friedenspolitische Positionsverschiebungen im Kipping-Riexinger-Entwurf für das Programm zur Bundestagswahl kritisiert, hat viel Aufmerksamkeit gefunden – und hektische Aktivitäten waren die Folge. Mittlerweile wurde eine große Nebelmaschine angeworfen, um die Kernpunkte der Kritik unkenntlich zu machen. Elf Seiten umfasst eine Gegenüberstellung zu angeblichen Falschbehauptungen in der politischen Bewertung, die vom Karl-Liebknecht-Haus in die Partei und an die Fraktion im Bundestag verschickt und auf der Homepage der Partei dokumentiert wurde. Die Übersicht unter dem Titel »Argumente statt Schattenboxen. Was tatsächlich zu Abrüstung und Friedenspolitik im Entwurf des Linken-Bundestagswahlprogramms steht« wurde vom Bereich Strategie und Grundsatzfragen im Auftrag der Parteivorsitzenden erstellt und hat in wesentlichen, wenn auch nicht allen Punkten Eingang gefunden in Riexingers Replik in der jW. Ohne die aufgegriffenen Zitate aus dem Entwurf widerlegen oder entkräften zu können, werden den Autorinnen »Falschaussagen« und »Suggestionen« unterstellt, »die ›Fake News‹ nahekommen«, die der Partei Die Linke und der Friedensbewegung einen »Bärendienst« erweisen würden. Dass Riexingers jW-Artikel in Teilen schlicht im Widerspruch zu dem von ihm gemeinsam mit Kipping verantworteten Programmentwurf steht, erweckt den Eindruck eines Verwirrspiels. Warum wohl?

1. Auslandseinsätze der Bundeswehr beenden, aber keine Absage an neue Auslandseinsätze?

»Die Bundeswehr muss aus allen Auslandseinsätzen zurückgezogen werden und darf nicht in neue Auslandseinsätze entsandt werden« – hieß es eindeutig im Programm zu den Bundestagswahlen 2017. Im aktuellen Wahlprogrammentwurf von Kipping/Riexinger fehlt der entscheidende zweite Halbsatz. Somit bleibt eine Entsendung der Bundeswehr in neue Auslandseinsätze offen. Man könnte den Verweis auf diesen Halbsatz als pure Wortklauberei abtun, hätte es nicht genau darum Diskussionen in der Bundestagsfraktion gegeben. Und vor dem Hintergrund der Initiative von Matthias Höhn für mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr mit UN-Mandat muss hier ein klares Stoppzeichen gesetzt werden. Auslandseinsätze der Bundeswehr – und nicht nur »Kampfeinsätze«, wie es eingrenzend an anderer Stelle im Programmentwurf heißt (Seite 103) – werden von Die Linke ohne Wenn und Aber abgelehnt. Sie sind friedensgefährdend und treiben die Militärausgaben weiter nach oben. Eine Friedenspartei darf hier keinen Interpretationsspielraum zulassen.

2. Warum Konfrontationspolitik gegenüber Russland nicht mehr klar benennen?

Wir teilen ausdrücklich die Warnung von Riexinger in der jW, dass auch mit dem neuen US-Präsidenten Joseph Biden keineswegs eine Entspannung zu erwarten ist: »Biden setzt den Konfrontationskurs gegenüber China fort. Mit Biden werden US-Interventionskriege der angeschlagenen Weltmacht, die weiter militärisch dominiert, wahrscheinlicher. Das verweist auf die Kontinuität imperialer Interessen.« Weiter schrieb Riexinger: »Der Einsatz für ein friedliches Verhältnis zu Russland und China statt ständiger Drohgebärden (wie etwa NATO-Manöver an der russischen Grenze) und der Einsatz für globale Abrüstung gehören für uns zusammen. Niemals dürfen wir uns mit einer imperialistischen Regime-Change-Politik gemein machen, die sowohl von den USA wie der EU verfolgt wird.« Wir schlagen vor, diese politisch richtigen Feststellungen aus Riexingers jW-Beitrag direkt ins Wahlprogramm aufzunehmen. Denn bislang lauten die verharmlosenden, weil Äquidistanz verratenden Passagen: »Die USA und die EU versuchen, ihre Vormachtstellung gegen Russland und China zu verteidigen (sic!).« (Seite 103) bzw. »In den internationalen Beziehungen gibt es eine Eiszeit. Die USA und ihre Verbündeten auf der einen, China und Russland auf der anderen Seite haben den Sicherheitsrat und die Vereinten Nationen (UNO) in den vergangenen Jahren blockiert.« (Seite 111)

An dieser Stelle sei an die klare Kritik der Konfrontationspolitik gegenüber Russland im Wahlprogramm von 2017 erinnert: »Ein geeintes soziales Europa kann nur als ein Projekt des Friedens eine wirkliche, demokratische Zukunft haben (…). Die NATO dehnt ihren Einflussbereich bis an die Westgrenze Russlands aus. (…) Viele Menschen in unserem Land sind beunruhigt wegen der Verschlechterung der Beziehungen Deutschlands und der EU zu Russland. Von einem gemeinsamen Haus Europa, von der Friedensdividende nach dem Ende des Kalten Krieges spricht heute keiner mehr. Statt dessen findet mitten in Europa, in der Ukraine, ein heißer Krieg statt. Zwischen der EU und Russland bestimmen Sanktionen und Gegensanktionen das Bild. Wo Abrüstung geboten wäre, dominiert auf beiden Seiten verbale und militärische Aufrüstung. Diplomatie und militärische Zurückhaltung sind ins Abseits geraten. Wir halten diese Konfrontationspolitik für fatal.«

Wir erwarten, dass so wie in unserem 2017er Programm auch jetzt die Konfrontations- und Einkreisungspolitik der USA und der NATO-Verbündeten gegenüber Russland klar benannt wird. Die gewaltige Aufrüstung der NATO gegenüber Russland ist ein friedensgefährdender Aggressionsakt und muss von uns als solcher kritisiert werden. Eine Äquidistanz, mit der die mehr als 1.000 Milliarden Dollar Militärausgaben der NATO 2019 mit den 64 Milliarden Dollar Russlands gleichgesetzt werden, spricht der Realität Hohn.

3. Rüstungsexporte nur perspektivisch einstellen?

Die Linke muss bei ihrer prinzipiellen Ablehnung von Rüstungsexporten bleiben und darf ein generelles Ausfuhrverbot nicht auf die lange Bank schieben. Um in diesem Punkt Missverständnisse oder Fehlinterpretationen zu vermeiden, sind wir für die Streichung des Satzes »Perspektivisch wollen wir alle Rüstungsexporte aus Deutschland einstellen.« (Seite 104) Und wir schlagen für das Wahlprogramm die Präzisierung vor: »Die Linke fordert ein gesetzliches Verbot von Rüstungsexporten.«

Das Geschäft mit dem Tod kostet weltweit Menschen das Leben. Alle 14 Minuten stirbt ein Mensch durch eine deutsche Waffe. Deshalb wollen wir Rüstungsexporte nicht nur »perspektivisch« einstellen, sondern umgehend und für alle Waffengrößen. Denn Kleinwaffen sind genauso tödlich wie große Waffen. Wir sollten hier keine Priorisierungen zulassen. Der Kipping-Riexinger-Entwurf lässt diesbezügliche Klarheit vermissen.

4. Die EU weniger aufrüsten?

Zwar findet sich im Entwurf die Absage, Ausgaben mit militärischen Bezügen aus dem EU-Haushalt zu finanzieren (Seite 118). Doch diese richtige Position wird im EU-Kapitel wieder dahingehend relativiert, dass man nur »weniger Geld für Aufrüstung und mehr Geld für öffentliche Investitionen« ausgeben wolle (Seite 114). Außerdem heißt es wenige Zeilen zuvor: »Es braucht in Europa endlich höhere Steuern für Reiche und Konzerne. Gelder aus dem EU-Haushalt müssten umgewidmet werden: weniger Ausgaben für militärische Aufrüstung – mehr für solidarische und ökologische Zukunftsprojekte.« (Seite 113) Das sind Formulierungen, die nicht nur im Widerspruch zum Grundsatzprogramm der Partei mit seiner Verpflichtung auf Abrüstung stehen. Es sind auch keine guten Handlungsanleitungen bei der Frage, wie Die Linke sich gegenüber einem EU-Haushalt verhalten sollte, der eben diese EU-Aufrüstung ins Werk setzt. Wir wollen keine EU, die weniger aufrüstet, sondern eine EU, die abrüstet. Hier muss das Wahlprogramm die eindeutige Orientierung geben, dass wir auch einen Haushalt, der etwas weniger Geld für Aufrüstung bereitstellt, ablehnen werden.

5. Warum keinen Abzug der US-Truppen mehr fordern?

Angesichts der von Bernd Riexinger skizzierten Bedrohungslage durch die USA wäre es folgerichtig, an der Forderung nach Schließung aller US-Militäreinrichtungen in Deutschland festzuhalten und das auch im Wahlprogramm expressis verbis zu bekräftigen. Wir können uns nicht vorstellen, dass die Forderung nach einem Abzug der US-Truppen aus Deutschland und der Schließung der US-Basen wie Ramstein von den beiden Vorsitzenden schlicht vergessen wurde. Die jetzige kurze Passage bezieht sich allein auf die Infrastruktur für den Drohnenkrieg, so wie sich dies auch in Wahlprogrammen der Grünen findet: »Einsatz und Steuerung von Kampfdrohnen aus der Militärbasis in Ramstein durch die US-Armee wollen wir endlich stoppen. Kein Drohnenkrieg von deutschem Boden.« (Seite 105) Lasst uns hier so präzise sein wie im Wahlprogramm 2017 mit Aussagen wie: »Vom Boden der Bundesrepublik Deutschland aus dürfen keinerlei militärische Drohneneinsätze in anderen Ländern koordiniert oder geleitet werden. Die militärischen Standorte in Deutschland, die derzeit an solchen Drohnenkriegen beteiligt sind – wie Ramstein, das AFRICOM und das EUCOM – müssen geschlossen werden.« Und weiter: »Alle ausländischen Militärbasen in Deutschland müssen geschlossen werden. Entsprechende Verträge, auch mit den USA im Rahmen von Aufenthaltsvertrag und dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut, werden gekündigt. Die Infrastruktur in der Bundesrepublik darf nicht genutzt werden, um völkerrechtswidrige Kriege und menschenrechtswidrige Maßnahmen wie die Verschleppung von Gefangenen zu ermöglichen.« Sowie: »Wir wollen die US- und NATO-Infrastruktur in Deutschland beseitigen, die für den Aufmarsch gegen Russland, eine verheerende Regime-Change-Politik sowie ganz allgemein für Interventionskriege genutzt wird.« Es gibt keinen Grund, hinter unsere Positionen von 2017 zurückzufallen, auch wenn SPD und Grüne sich einem US-Truppenabzug verweigern.

6. Warum ein Fonds für Regime-Change-Politik?

Ausdrücklich lehnen wir die Bereitstellung von Mitteln ab, die je nach Interpretation auch für Regime-Change-Aktivitäten eingesetzt werden können. Im Wahlprogrammentwurf von Bernd Riexinger und Katja Kipping wird gefordert: »Wir wollen die Zivilgesellschaft fördern statt Deals mit Diktatoren schließen! Dazu werden wir einen Fonds auflegen zur Förderung von zivilgesellschaftlichen Akteuren, die sich weltweit für Demokratie, Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit einsetzen, ihn wollen wir mit substantiellen finanziellen Mitteln ausstatten.« (Seiten 112/113) Hier geht es wohlgemerkt nicht um Mittel einer linken Parteistiftung zur Unterstützung von Gleichgesinnten in aller Welt. Was auf den ersten Blick als Mittel internationaler Solidarität erscheinen könnte, kann sich sehr schnell – ob beabsichtigt oder nicht – als Fördertopf zur Finanzierung »bunter Revolutionen« erweisen. Die Zurückweisung von Kritik an diesem Interventionsinstrument mit einem Verweis auf den Wikipedia-Eintrag zu »Zivilgesellschaft«, wie sie sich in der von den Parteivorsitzenden in Auftrag gegebenen Entgegnung des Bereichs Strategie und Grundsatzfragen findet, ist hier so wenig überzeugend wie die Feststellung von Riexinger in der jW, man würde »mit Kanonen auf Spatzen schießen«.

7. Warum kein Bekenntnis mehr zur Solidarität mit Kuba?

Gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Debatten über Solidarität mit dem sozialistischen Kuba ist es aus unserer Sicht ein besonderes Versagen, die Solidarität mit Kuba nicht – wie noch 2017 – in das Wahlprogramm aufgenommen zu haben. Der Bereich Strategie und Grundsatzfragen im Karl-Liebknecht-Haus merkt dazu an: »Die Frage ist, ob das Gegenstand von einem Wahlprogramm sein soll. Die Kuba-Solidaritätsarbeit ist in der Partei fest verankert. Stellungnahmen zu politischen Entwicklungen anderer Länder wie den Wahlen in Venezuela sind sinnvoller in Form von Positionspapieren des PV, der Internationalen Kommission oder von Parteitagen.« Das halten wir für eine völlige Vernebelung. Wir denken nicht, dass es falsch war, was Die Linke in ihrem Wahlprogramm 2017 unmissverständlich bekundet hat: »Wir setzen uns für die vollständige und bedingungslose Aufhebung der US-Blockade gegen Kuba ein, inklusive der Drittstaatenregelung der US-Blockade. Wir unterstützen die Normalisierung der Beziehungen zu Kuba und fordern eine gleichberechtigte, solidarische Zusammenarbeit.« Und weiter: »Wir verurteilen die Destabilisierungsversuche der Europäischen Union (EU) und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gegen Venezuela. Wir fordern, dass der Handelskrieg gegen die Wirtschaft des Landes und gegen die Versorgung der Bevölkerung eingestellt wird. Wir treten solchen Versuchen auf internationaler Ebene energisch entgegen. Die sozialen Veränderungen, die durch die linken Regierungen in Lateinamerika in Gang gesetzt wurden, haben Millionen Menschen wirtschaftliche Perspektiven und demokratische Teilhabe ermöglicht. Wir unterstützen die linken Regierungen und die selbstbestimmten regionalen Integrationsprozesse in Lateinamerika.«

8. Warum nicht mehr auf eine Wende in der Türkei-Politik dringen?

SPD-Außenminister Heiko Maas plädiert für weitere deutsche Rüstungslieferungen und Wirtschaftshilfen an die Türkei, obwohl Erdogans faschistisch-islamistische Regierungskoalition dabei ist, ganze Regionen in Brand zu setzen. Die Türkei soll in der NATO und als Türsteher der EU gegen Schutzsuchende an der Seite der Bundesregierung gehalten werden, auch wenn die Kurden dabei zugrunde gehen. Dafür werden die anderen EU-Staaten von der Bundesregierung in Mithaftung genommen. Uns fällt kein Grund ein, warum Riexinger und Kipping die noch im Wahlprogramm 2017 eingeforderte Wende der Türkei-Politik jetzt nicht mehr erwähnen. Gerade vor dem Hintergrund völkerrechtswidriger Militärinterventionen der türkischen Armee im Norden des Irak und der anhaltenden Besatzung im Norden Syriens, der Kanonenbootpolitik der mit deutscher Hilfe hochgerüsteten türkischen Marine gegen die EU-Mitglieder Griechenland und Zypern im östlichen Mittelmeer sowie eines drohenden Verbots unserer Partnerpartei HDP in der Türkei sollte Die Linke hier weiter Flagge zeigen. Das Programm von 2017 hat auch hier nichts an Aktualität eingebüßt: »Wir treten für eine radikale Wende der deutschen und europäischen Türkei-Politik ein. Wir stehen an der Seite der Demokraten in der Türkei und fordern einen sofortigen Stopp der Rüstungsexporte und der Lieferungen von Rüstungsfabriken. Die Linke setzt sich für die Freilassung der politischen Gefangenen in der Türkei ein und steht allen Versuchen, dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan unter die Arme zu greifen, wie mit einer Erweiterung der Zollunion, entgegen.«

Aus all diesen Gründen mahnen wir dringend Veränderungen am Wahlprogrammentwurf von Die Linke an. Es braucht eine Partei, die auch 2021 friedenspolitisch eindeutig und klar Kurs hält und sich nicht in Zweideutigkeiten verliert. Eine klare Zurückweisung der Konfrontationspolitik gegenüber Russland, bei der die Aggression der NATO-Staaten unmissverständlich benannt wird, ist dabei genauso wichtig wie die Absage an alle Auslandseinsätze und ein Eintreten für ein gesetzliches Verbot von Rüstungsexporten, das nicht auf die lange Bank geschoben wird. Wir rufen alle Kräfte in unserer Partei dazu auf, eine Relativierung unserer friedenspolitischen Positionen und internationalen Solidarität nicht zuzulassen.