Das grundlegende Problem jeder Kronzeugenregelung kann auch der vorliegende
neue Gesetzesentwurf nicht lösen: Wer Denunziation belohnt, wird Denunzianten
erhalten, aber nicht mehr Rechtssicherheit. Der Entwurf von Frau Zypries verschärft
das Problem eher noch, weil sich ein Tatverdächtiger unter Umständen nicht nur einen
Strafnachlass erkaufen kann, sondern eine komplette Strafbefreiung.
Eine solche Aussicht wirkt sich in der Praxis als Eingriff in die Aussagefreiheit aus.
Es ist nur nahe liegend, dass Untersuchungshäftlinge, die sich ohnehin unter starkem
psychischem Druck befinden, dann umso eher Aussagen über Dritte machen,
zu denen sie sonst nicht bereit wären. Andere zu beschuldigen, um die eigene Haut
zu retten, ist in jedem Fall eine große Versuchung.
Die bisherige Praxis hat gezeigt, dass der reale Wert solcher gekaufter Aussagen
gering ist. Die Informationen von Kronzeugen sind nur sehr bedingt ermittlungsrelevant
und oft nicht gerichtsverwertbar.
Das Berliner Verfahren gegen angebliche Mitglieder der Revolutionären Zellen hat
zudem gezeigt, dass die Kronzeugenregelung auch als politische Waffe eingesetzt
wird. Aufgrund der offenkundig unzutreffenden Aussagen eines Kronzeugen wurde
gegen mehrere Linke ein jahrelanger Terrorprozess geführt, der immer mehr zur Farce
geriet. Es ist zu befürchten, dass auch in weiteren politischen Strafverfahren die
Kronzeugenregelung benutzt wird, um politisch unliebsame Organisationen und ihre
Unterstützer als „terroristisch“ oder „kriminell“ zu verfolgen.
Kronzeugenregelungen sind rechtlich unseriös und ein Schandfleck für jeden
Rechtsstaat.
Drucken