(junge Welt, 17. 8. 2017)
Die Ankündigung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Bundeswehr auf breiter Front von problematischen Kasernennamen zu befreien, hat sich als heiße Luft entpuppt. Aus der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion ergibt sich, dass bereits mehrere Entscheidungen gefallen sind, Bezeichnungen mit Namen aus der Naziwehrmacht beizubehalten.
Im Mai hatte die Ministerin angekündigt, überall, wo Namensgeber »nicht im Einklang mit dem heutigen Traditionsverständnis der Bundeswehr stehen könnten«, solle neu diskutiert werden. Allerdings sind lediglich in zwölf Kasernen solche Diskussionsprozesse eingeleitet worden, und nur in einem Fall wurde eine Umbenennung beschlossen: Die nach General Thomsen benannte Kaserne in Stadum heißt jetzt Südtondern-Kaserne. Der Namensgeber war ein Flieger des Ersten Weltkrieges, der 1939, als halbblinder Invalide, formell zum General befördert worden war. In vier Fällen wurde bislang entschieden, am Kasernennamen festzuhalten. Das betrifft einen Offizier des Kaiserreiches und drei Angehörige der Wehrmacht: Die Bamm-Kaserne und die Schulz-Lutz-Kaserne, beide in Munster, und die Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne in Augustdorf. Die Bundesregierung schlägt Rommel, entgegen der Meinung zahlreicher Historiker und selbst des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, dem militärischen Widerstand gegen Hitler zu, von den anderen beiden Soldaten versucht sie nicht, dies zu behaupten. An sieben Standorten dauern die Diskussionen noch an.
Bemerkenswert ist allerdings, dass in mehreren nach Offizieren der Naziarmee benannten Kasernen ein Diskussionsprozess gar nicht erst eingeleitet worden ist. Das betrifft unter anderem die Admiral-Armin-Zimmermann-Kaserne in Wilhelmshaven, die General-Steinhoff-Kaserne in Berlin und die General-Heusinger-Kaserne in Hammelburg. Alle drei Namensgeber haben – ohne jeglichen Versuch, die schlimmsten Naziverbrechen auch nur zu verringern – bis zuletzt unter Hitler gedient, Heusinger sogar als Chef der Operationsabteilung im Oberkommando des Heeres. Und alle drei haben später in der Bundeswehr ihre Karrieren fortgesetzt, Heusinger und Zimmermann bis zum Posten des Generalinspekteurs. Aus offizieller Sicht gelten derlei »Verdienste« um den Aufbau der Bundeswehr faktisch als Persilschein. Die nachträgliche Korrektur dieser Haltung würde wohl allzu deutlich die faschistische Vergangenheit des Bundeswehr-Gründungspersonals offenlegen.
Die Bundesregierung verweist in der Antwort auf die Linken-Anfrage erneut darauf, sämtliche Entscheidungen würden »von unten« getroffen. Damit ist allerdings nicht eine demokratische Abstimmung aller Soldaten gemeint, sondern lediglich Meinungsäußerungen der Kommandeure, der Dienststellenleiter sowie der Personalvertretungen und Vertrauenspersonen.
Für von der Leyens Karriere dürfte wichtig sein, ob sie sich bei der Neufassung des Traditionserlasses der Bundeswehr gegen ihre konservativen Widersacher durchsetzen kann. Bis Ende Oktober soll das Dokument aus dem Jahr 1982 aktualisiert werden. Die Ministerin will verstärkt »eigene« Traditionen der Bundeswehr, auch aus den Kampfeinsätzen, in den Vordergrund rücken. Inwiefern die Modernisierung der Bundeswehr eine wenigstens partielle Abkehr von der Wehrmacht erfordert, ist in der Truppe aber heftig umstritten.
Das zeigt sich in den teils wütenden Reaktionen auf von der Leyens Vorstöße: In Soldatenforen gibt es immer weniger Stimmen, die der Ministerin Führungsqualitäten zusprechen. Bezeichnend ist auch der Fall der Lent-Kaserne in Rotenburg/Wümme: Die dortige Belegschaft hat nach Angaben ihres Pressesprechers schon im Mai dafür votiert, am Namensgeber festzuhalten, der als Wehrmachtsoffizier bis zu seinem Tod im Jahr 1944 Durchhalteparolen von sich gab. Das aufgrund von Nazivorfällen in der Truppe unter Druck geratene Ministerium hat diese Entscheidung aber nicht akzeptiert, sondern unverzüglich einen neuerlichen »Meinungsbildungsprozess« angeordnet. – Doch übertreiben sollte man es mit der Demokratie im Militär besser nicht.