Das Verwaltungsgericht Augsburg hat Ende vergangene Woche die Klage eines Lehrers an der Volksschule Westheim in Schwaben gegen Kruzifixe in Klassenzimmern abgewiesen. Zur Begründung wurde auf die »besondere Gehorsams- und Neutralitätspflicht« von Beamten verwiesen. Damit bleibt es im Freistaat Bayern dabei, daß sich das Landesrecht über die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Mai 1995 zur Trennung von Kirche und Staat hinwegsetzt.
In dem Aufsehen erregenden »Kruzifix-Beschluß« hatte das höchste deutsche Gericht klargestellt: »Die Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule, die keine Bekenntnisschule ist, verstößt gegen Art. 4 Abs. 1 GG.« Und weiter: »§ 13 Abs. 1 Satz 3 der Schulordnung für die Volksschulen in Bayern ist mit Art. 4 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig.« Das Grundgesetz schütze die Bürger davor, in einem »staatlich geschaffenen Pflichtraum« wie bei der Schulpflicht dem Einfluß eines bestimmten Glaubens ausgesetzt zu werden, ohne sich diesem entziehen zu können.
Diese Entscheidung wurde seinerzeit von der CSU mit Entrüstung kritisiert. Der damalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) machte klar, daß sich die Staatsregierung nicht an den eigentlich bindenden Karlsruher Richterspruch halten werde. In das bayerische Unterrichtsgesetz wurde rasch ein neuer Passus eingefügt: »Angesichts der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns wird in jedem Klassenraum ein Kreuz angebracht.« Klagen hiergegen blieben vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof erfolglos, weil mit der Neuregelung auch eine Konfliktlösung vorgesehen worden sei. Demnach muß nur in »atypischen Einzelfällen« das Kruzifix vorübergehend abgenommen werden, etwa für die Zeit der Unterrichtsstunden eines Lehrers, der sich daran stört.
Im aktuellen Fall berief sich der Kläger – übrigens schon zum zweiten Mal – auf die eindeutige Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach das Anbringen eines Kruzifixes in den Unterrichtsräumen gegen die Religionsfreiheit verstößt. Damit stehe die Gesetzgebung in Bayern nicht im Einklang. Das Verwaltungsgericht Augsburg wandte am Donnerstag aber unverändert das bayerische Unterrichtsgesetz an. Es ließ sich nicht davon überzeugen, daß der Lehrer durch das Kreuz eine so schwerwiegende seelische Belastung erleidet, daß eine Ausnahme zu seinen Gunsten gerechtfertigt sei.
Die weltanschauliche Neutralität des Staates ist auch Thema im bayerischen Landtagswahlkampf. Aber selbst wenn die CSU am 28. September 2008, was nach den Meinungsumfragen möglich erscheint, ihre absolute Mehrheit verlieren sollte, wird sich hinsichtlich der Kruzifixe in den Schulen nichts ändern. Denn die bayerischen Grünen haben bereits einen Rückzieher gemacht. Im Juni stellten sie auf ihrem Landesparteitag noch die Forderung auf, alle religiösen Symbole aus den Schulen zu entfernen. Als die CSU daran Kritik übte, beeilte sich der grüne Spitzenkandidat Sepp Daxenberger zu versichern, dem Beschluß fehle »die notwendige Klarheit«; er selber habe »nix gegen Kruzifixe«.