„Vor einem guten Jahr noch ging man im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) davon aus, dass rein rechnerisch pro anerkanntem syrischen Flüchtling etwa ein Familienangehöriger nachziehen würde. Die tatsächliche Entwicklung der letzten Jahre zeigt jedoch, dass der sogenannte Nachzugsfaktor eher bei 0,5 als bei 1 anzusetzen ist. Der Umfang des Familiennachzugs zu Flüchtlingen ist mithin viel geringer als ursprünglich angenommen – das ist eine wichtige Information angesichts der schäbigen Versuche der sich christlich nennenden Unionsparteien, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten weiter auszusetzen“, erklärt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zur aktuellen Debatte über den zu erwartenden Familiennachzug zu syrischen und irakischen Schutzsuchenden. Jelpke weiter:
„Die Rechnung ist relativ einfach: Im Zeitraum 2015 bis Mitte 2017 haben etwa 360.000 syrische und irakische Asylsuchende einen Asyl- oder Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten, der zum Familiennachzug berechtigt. Im gleichen Zeitraum wurden jedoch nur gut 100.000 Visa für den Familiennachzug zu diesen Schutzberechtigten erteilt bzw. warten derzeit noch etwa 70.000 Familienangehörige darauf, ein entsprechendes Visum beantragen zu können. Daraus ergibt sich ein rechnerischer ‚Nachzugsfaktor‘ von 0,5 – im BAMF wurde dieser zuvor auf 0,9 bis 1,2 geschätzt. Der Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen ist damit nur etwa halb so groß wie vom BAMF vermutet.
Viel zu häufig wird mit unhaltbaren Prognosen schlechte Politik gemacht. Zur Rechtfertigung der Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten hatte der Bundesinnenminister beispielsweise von einer Verdopplung oder gar Verdreifachung der Flüchtlingszahlen durch den Familiennachzug gesprochen. Die AfD warnte zuletzt im Wahlkampf sogar vor angeblich ‚zwei Millionen Migranten ab 2018‘ infolge des Familiennachzugs zu Flüchtlingen. Sekundiert wird solche Hetze durch Falschdarstellungen in Medien wie der Bild-Zeitung, die im Oktober 2015 von bis zu 7,4 Millionen Asylberechtigten infolge des Familiennachzugs fabuliert hatte. Diese grotesk falschen Zahlen setzen sich dann leider in vielen Köpfen fest.
Unabhängig von den konkreten Zahlen gilt: Das Recht auf Familienleben muss uneingeschränkt gelten. Es ist ein Menschenrecht, das keiner zahlenmäßigen Beschränkung unterworfen werden darf. Die dauerhafte Aussetzung des Familiennachzugs zu schutzbedürftigen Flüchtlingen wäre eindeutig verfassungswidrig und ein Verstoß gegen die Menschenrechte.“