Rede von Ulla Jelpke (DIE LINKE.) zu TOP 9a) der Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion DIE LINKE.: Soziale Existenzsicherung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (Drucksachen 16/7213, 16/9018), 186. Sitzung des 16. Deutschen Bundestages
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Präsident,
Wir reden heute über das Asylbewerberleistungsgesetz. Nach diesem Gesetz erhalten Asylsuchende, Geduldete und sogar anerkannte Bürgerkriegsflüchtlinge deutlich abgesenkte Sozialleistungen. Diese so genannten Leistungen sind seit 15 Jahren nicht angehoben worden. Laut Gesetz erhalten die Betroffenen immer noch lächerliche 184 Deutsche Mark im Monat. Zu Beginn möchte ich daran erinnern, in welchem Kontext das Asylbewerberleistungsgesetzes eingeführt wurde.
Kolleginnen und Kollegen,
Seit über 15 Jahren gibt es in Deutschland die rassistische Sondergesetzgebung in Form des Asylbewerberleistungsgesetzes. Es wurde nach der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl eingeführt und stand im Kontext von rassistischer Hetze und pogromartiger Stimmung gegen Flüchtlinge, die damals in ganz Deutschland wütete.
Schon damals waren Flüchtlinge in Sammelunterkünften untergebracht, die schnell zum Ziel von Brandanschlägen und Übergriffen wurden. Zugleich sahen sich die Kommunen mit der Aufnahme einer großen Zahl von Flüchtlingen überfordert, die vor dem Bürgerkrieg auf dem Balkan nach Westeuropa geflohen waren. Doch statt auf eine politische und solidarische Lösung zu setzen, sollten auf Kosten der Flüchtlinge die kommunalen Haushalte entlastet werden. Und es wird weiterhin auf Kosten der Flüchtlinge gespart.
Denn was bedeutet dieses Gesetz konkret für die Betroffenen, die Asylbewerber, Geduldeten und Bürgerkriegsflüchtlinge?
Es bedeutet, dass sie unterhalb des offiziellen Existenzminimums vegetieren müssen.
Sie erhalten nur circa sechzig Prozent des normalen Grundleistungssatzes, zugleich gilt das so genannte Sachleistungsprinzip: Auf diskriminierende Art bekommen sie statt Geld lediglich Gutscheine oder gleich Fresspakete von minderer Qualität. Die bloße physische Existenz der Betroffenen soll gesichert werden, und das über einen Zeitraum von vier Jahren. Erst dann haben sie Anspruch auf Sozialhilfe. Wie das mit dem Schutz der Menschenwürde vereinbar sein soll, dazu hört man von der Bundesregierung kein einziges Argument.
Die Betroffenen erhalten keine Gesundheitsvorsorge, lediglich in Notfällen, bei akuten Schmerzen wird ihnen geholfen. Es gilt ein faktisches Arbeitsverbot, die Residenzpflicht nimmt ihnen die Bewegungsfreiheit. Asylbewerber und Geduldete werden bewusst diskriminiert und ausgegrenzt, die allermeisten werden in Sammelunterkünften und Lagern untergebracht und werden dort zur Zielscheibe rassistischer Gewalt.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage zu diesem Thema macht deutlich, dass sie an diesem rassistischen Sondergesetz nichts ändern will. Mit hanebüchenen Argumenten wird der verringerte Sozialleistungsbezug mit einem angeblich geringeren Integrationsbedarf begründet. Zudem sei ja nur ein vorübergehender Aufenthalt zu erwarten, wie die Bundesregierung schreibt.
Dies ist wirklich eine zynische Begründung. Erstens ist ein Aufenthalt von vier Jahren wohl kaum als vorübergehend zu bezeichnen. Zweitens geht diese Argumentation schon davon aus, dass gestellte Asylanträge sowieso abgelehnt werden und die Betroffenen in ihr Herkunftsland zurückkehren. Und drittens darf man nie vergessen, dass das Asylbewerberleistungsgesetz auch für in Deutschland geborene Kinder gilt. Selbst wenn deren Eltern nach vier langen Jahren endlich der volle Sozialleistungsbezug zusteht, bekommen sie für die Kinder in deren ersten vier Lebensjahren nur die abgesenkten Leistungen. Viertens haben die meisten so genannten Leistungsempfänger eine Duldung, sind also gar keine Asylbewerber. Und bekanntlich ist auch der Aufenthalt von Geduldeten keineswegs nur vorübergehend, wie die erschreckend hohe Zahl von Kettenduldungen zeigt, die sich häufig zehn Jahre oder länger hinziehen.
Diese Beispiele zeigen, dass die Argumente der Bundesregierung an den Haaren herbeigezogen sind. Es herrscht die rassistische Unterstellung, Asylbewerber kämen einzig zu dem Zweck nach Deutschland, Sozialleistungen zu beziehen. Daraus folgt ein Abschreckungsregime mit fatalen Folgen für die physische und psychische Gesundheit der Betroffenen, die Verhinderung ihrer Integration mit allen Mitteln. Die Antwort der Bundesregierung ignoriert diese humanitären Probleme
Die Fraktion DIE LINKE fordert dagegen die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und aller diskriminierenden Sonderregelungen für Asylbewerber und Flüchtlinge!
– es gilt das gesprochene Wort –