Zurückweisungen nach Libyen
Kommentar von Ulla Jelpke in junge Welt vom 1. August 2018Ein italienisches Versorgungsschiff hat im Mittelmeer in internationalen Gewässern 108 Flüchtlinge von einem Schlauchboot aufgenommen – und geradewegs nach Libyen zurückgebracht. Ein eindeutiger Bruch des Seevölkerrechts, der aber zu 100 Prozent der Logik der EU-Abschottungspolitik folgt.
Die internationale Rechtslage ist eindeutig: Wer aus Seenot gerettet wird, muss in einen sicheren Hafen gebracht werden. »Libyen ist kein sicherer Hafen«, stellte das UN-Flüchtlingshilfswerk nach der Aktion klar. Wie könnte es auch, handelt es sich bei Libyen ja seit dem Krieg der NATO gegen Machthaber Ghaddafi um ein chaotisches Bürgerkriegsland, in dem Flüchtlinge riskieren, als Sklaven verkauft oder in brutalen Folterlagern interniert zu werden. All das ist bekannt – und deswegen wäre der Kapitän des Schiffes »Asso 28« verpflichtet gewesen, einen italienischen Hafen anzulaufen. Dass er statt dessen den »Anweisungen« der libyschen Küstenwache folgte, die kaum mehr ist als eine kriminelle Söldnertruppe, und den Hafen von Tripolis ansteuerte, stellt einen klaren Rechtsbruch dar. Um so erschreckender ist die Reaktion des italienischen Innenministers Matteo Salvini, der twitterte: »Gut so, wir werden so weitermachen.«
Wer Kapitänen androht, dass ihre Schiffe beschlagnahmt werden, wenn sie – sich an internationales Recht haltend – gerettete Flüchtlinge in die EU bringen, darf sich nicht darüber wundern, dass jene die Flüchtlinge dann eben ertrinken lassen oder nach Libyen verfrachten. Deswegen ist auch gar nicht damit zu rechnen, dass der Kapitän der »Asso 28« für diesen Rechtsbruch vor Gericht geradestehen muss – im Gegensatz zu Seenotrettern, die der Schlepperei etc. angeklagt werden. Denn der Rechtsbruch ist ja von der EU regelrecht provoziert worden. Der Vorgang illustriert auf bedrückende Weise, dass die EU bei ihrer Abschottungspolitik den Flüchtlingen nicht einmal mehr die Mindeststandards des Völkerrechts zubilligt.