Die Kritik an Schäubles Gesetz richtet sich vor allem gegen die Einführung der heimlichen Online-Durchsuchung von Privatcomputern. Damit wird der verfassungsrechtlich absolut geschützte Kernbereich privater Lebensgestaltung verletzt. Auch andere einschneidende Maßnahmen wie Videoüberwachung in Wohnungen und Rasterfahndung sollten festgeschrieben werden, richterliche Anordnungen sollten zum Teil auch »nachträglich« eingeholt werden können. Die Polizeibefugnisse des Bundes sollten bis weit ins Vorfeld von Straftaten reichen – zur »Prävention«, obwohl nach den Erfahrungen der faschistischen Diktatur im Grundgesetz der BRD gerade keine zentrale Polizeigewalt mehr vorgesehen ist.
Nach der Abstimmung im Bundesrat äußerte die Opposition Genugtuung. Die Linksfraktion forderte, es müsse nun ein Schlußstrich unter das BKA-Gesetz gezogen werden. Auch die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, zeigte sich zufrieden, daß Schäubles Angriff auf die Demokratie und den Rest an Privatheit abgewehrt worden sei. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger sprach von einem Erfolg für die Pressefreiheit, weil das BKA-Gesetz das Zeugnisverweigerungsrecht der Journalisten und damit den Informantenschutz in »gravierender Weise verschlechtert« hätte.
Trotz der Abstimmungsschlappe bleibt Schäuble unbelehrbar. Die Bundesregierung gibt ihre Absicht, tief in die Bürgerrechte einzugreifen, nicht auf, sondern kündigte umgehend an, am nächsten Mittwoch über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zu entscheiden. Laut Vizeregierungssprecher Thomas Steg soll das Gesetz möglichst noch am 19. Dezember bei der nächsten Bundesratssitzung verabschiedet werden. Der Grund für die Eile: Im Januar sind die Hessen-Wahlen, und wenn der amtierende CDU-Ministerpräsident Roland Koch dann abgewählt wird, wackelt die Bundesratsmehrheit für Schäuble noch mehr.
Tatsächlich besteht die Gefahr, daß sich die SPD im Vermittlungsverfahren auf faule Kompromisse einläßt und sich am Ende mit kosmetischen Korrekturen an Schäubles Horrorgesetz zufriedengibt. Der rheinland-pfälzische Innenminister Karl-Peter Bruch (SPD) gab schon die Richtung für die Sozialdemokraten vor: »Wir wollen das BKA-Gesetz«, die SPD wolle nicht in die Rolle eines Bremsers geraten.
Sollte sich doch noch eine Mehrheit für das Gesetz – oder eine geringfügig geänderte Fassung davon – finden, drohen Verfassungsklagen in Karlsruhe. Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) kündigte schon vor Wochen an, umgehend das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Es ist eine große Klagewelle von Bürgerrechtlern zu erwarten, da nach Ansicht von Datenschützern das Gesetz in weiten Teilen verfassungswidrig ist.