Kommentar von Ulla Jelpke in der jungen Welt vom 3.Januar 2019
Vier betrunkene junge Männer ziehen am Samstag abend durch die bayerische Kleinstadt Amberg. Wahllos beschimpfen sie Passanten, schlagen, treten und werfen sie zu Boden. Die mutmaßlichen Täter wurden gefasst und warten nun auf ihre Prozesse wegen gefährlicher Körperverletzung. Auf die Opfer kann eine solche Gewalterfahrung nicht nur schmerzhaft, sondern sogar regelrecht traumatisierend wirken. Dass junge Männer insbesondere unter Alkoholeinfluss austicken, ist kein neues Phänomen. Früher sprach man von Halbstarkenrandalen oder Hooliganismus. Doch ein bundespolitisches Thema wäre eine Prügeltour in der beschaulichen Oberpfalz kaum gewesen.Anders im Falle der mutmaßlichen Schläger von Amberg. Handelt es sich bei ihnen doch nicht um in Bayern geborene Rabauken, sondern um Asylbewerber aus Afghanistan, Syrien und dem Iran. Und das macht offenbar einen so gewaltigen Unterschied, dass sich nicht nur AfD, sondern auch CDU-Bundespolitiker und der Bundesinnenminister mit Forderungen nach »unnachgiebiger Härte« und »noch konsequenterem Abschieben« gegenseitig hochschaukeln. »Die Ereignisse in Amberg haben mich sehr aufgewühlt. Das sind Gewaltexzesse, die wir nicht dulden können«, verriet der Bundesinnenminister Horst Seehofer gegenüber Bild. »Wenn Asylbewerber Gewaltdelikte begehen, müssen sie unser Land verlassen. Wenn die vorhandenen Gesetze dafür nicht ausreichen, müssen sie geändert werden«, kündigte der CSU-Politiker entsprechende Initiativen an. Seehofer spielt die altbekannte Klaviatur der Rechten. Denn noch mehr gesetzliche Härte im Umgang mit abgelehnten oder straffällig gewordenen Asylbewerbern ist kaum möglich. Schließlich wurden das Ausweisungsrecht und die Möglichkeiten von Abschiebungen in den letzten Jahren bereits bis an die Grenze des rechtsstaatlich Zulässigen verschärft. Etwa 2017 mit dem »Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht«, von Flüchtlingshilfsorganisationen zutreffend als »Hau-ab-Gesetz« bezeichnet.
Am Silvesterabend rast dann ein 50jähriger Deutscher im Ruhrgebiet mit seinem Auto mehrfach in Gruppen feiernder Menschen. Der Fahrer des Wagens hatte nach Erkenntnissen der Polizei die »klare Absicht, Ausländer zu töten«. Pflichtbewusst zeigt sich Seehofer gegenüber Bildauch »betroffen« über die »offensichtlich fremdenfeindlich motivierte Amokfahrt«. Ein Gesetzespaket gegen Rassismus hat der Innenminister aber nicht in der Schublade liegen. Viel gewonnen wäre schon mit politischer Zurückhaltung. Denn wer ständig suggeriert, dass der Rechtsstaat zu lasch und hilflos agiert und zugleich Migration zur »Mutter aller Probleme« erklärt, sollte sich nicht wundern, wenn rechte Wutbürger und Neonazis sich dadurch zu Lynchakten wie in Bottrop und Essen ermutigt fühlen.